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Brasiliens Ex-Präsident Lula vor dem Comeback

Ex-Präsident "Lula" da Silva hat großen Vorsprung vor Amtsinhaber Bolsonaro. Offen ist wohl nur noch, ob er bereits am Sonntag oder erst in der Stichwahl in vier Wochen siegt. Bolsonaro spricht bereits von Wahlmanipulation.

Lula da Silva bei einer Rede am 16. November vergangenen Jahres in Paris. Foto: Lula no Instituto Sciences Po, Mídia NINJA, CC BY-NC 4.0

Lula da Silva bei einer Rede am 16. November vergangenen Jahres in Paris. Foto: Lula no Instituto Sciences PoMídia NINJACC BY-NC 4.0

Mit hitzigen gegenseitigen Anschuldigungen zwischen Präsident Jair Messias Bolsonaro (67) und Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (76) im letzten TV-Duell ist am Donnerstagabend, 29. September 2022 der Wahlkampf in Brasilien geendet. Nun sind 156 Millionen Bürger am Sonntag aufgerufen, Kongress, Landesparlamente, Gouverneure und den Präsidenten zu wählen. Laut Umfragen steht der einstige Gewerkschaftsführer Lula da Silva vor einem historischen Comeback.

Umfragen sehen Lula als Sieger

Jüngste Umfragen sehen "Lula" bei rund 50 Prozent Zustimmung, während der rechtspopulistische Amtsinhaber Bolsonaro mit rund 35 Prozent deutlich abgeschlagen ist. Die Zentrumskandidaten Ciro Gomes und Simone Tebet sind mit rund 5 Prozent aus dem Rennen. Bolsonaros Hoffnung liegt nun darin, Lula im Schlussspurt noch Wähler abzujagen, um eine Stichwahl am 30. Oktober zu erzwingen.

So ging Bolsonaro seinen Widersacher im letzten TV-Duell des Senders "Globo" aggressiv an. Der Ex-Militär erinnerte an Lulas Verurteilungen wegen Korruption, für die dieser 2018 und 2019 für insgesamt 580 Tage in Haft saß. Ob Lula wieder Präsident werden wolle, um weiter Geld zu stehlen, fragte Bolsonaro. Lula erklärte, dass er vom Obersten Gericht in allen Punkten freigesprochen worden sei. Allerdings waren die Prozesse wegen Verfahrensfehlern annulliert worden.

Lulas durchwachsene Bilanz

Für den in Armut aufgewachsenen Lula geht es am Sonntag auch um die Rettung seiner Biografie. 1980 hatte er die Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) gegründet, um gegen soziale Ungleichheit anzukämpfen. Während seiner Mandate von 2003 bis 2010 hatte er Millionen Brasilianern deutlich bessere Lebensbedingungen und einen sozialen Aufstieg ermöglicht. Zum Ende seiner Amtszeit genoss er Zustimmungswerte von über 80 Prozent.

Doch die während der Regierungszeit der PT aufgedeckten Korruptionsskandale werfen einen Schatten auf Lulas Amtszeit. Zumal die PT 2003 angetreten war, um die systemische Korruption des Politikbetriebs zu beenden. So besteht Lula darauf, dass die Ermittler und der Richter, die ihn hinter Gitter brachten, politische Motive hatten. Von Hackern 2019 veröffentlichte Gesprächsmitschnitte untermauern die These eines Komplotts. Seine Wahl würde er wie einen endgültigen Freispruch durch das Volk ansehen, so Lula.

Bolsonaro spricht von Manipulation

Am Sonntag könnte Lula Historisches schaffen: vom ersten Präsidenten Brasiliens, der ins Gefängnis musste, zum ersten Präsidenten, der dreimal ins Amt gewählt wird. Bolsonaro dagegen wäre der erste Präsident seit Einführung der Wiederwahl Ende der 90er Jahre, der eine zweite Amtszeit verpasst. Unbeliebt hat er sich bei den Wählern durch seine Weigerung gemacht, die Corona-Pandemie ernstzunehmen. Rund 700.000 Brasilianer starben bereits durch das Virus. Mit verbalen Ausfällen gegen Frauen und Minderheiten büßte er zudem Punkte beim weiblichen Publikum ein.

Der Versuch, seine Ehefrau Michelle stärker in den Wahlkampf einzubinden, konnte daran nichts ändern. Die 40-jährige Evangelikale fiel durch fanatische Wahlkampfauftritte auf, in denen sie Lula und die PT regelrecht verteufelte. Bei den Wahlen handele es sich um einen Kampf Gut gegen Böse, den Bolsonaro "mit Gottes Hilfe" gewinnen werde, so die First Lady.

Fanatisch tritt auch der harte Kern von Bolsonaros Wählern auf. In Sozialen Netzwerken häufen sich Drohungen gegen Lula und die Opposition. Zudem verbreitet Bolsonaro unbelegt die Behauptung, dass die elektronischen Wahlurnen zugunsten Lulas manipuliert seien. Deshalb werde er eine Niederlage nicht akzeptieren. Damit scheint er das Vorgehen seines Idols Donald Trump kopieren zu wollen, der bisher seine Niederlage gegen Joe Biden nicht anerkennt.

Drohung mit Militärputsch

Fraglich ist, wie sich Brasiliens Armee in diesem Fall verhalten wird. Mehr als 6.000 Militärs bekleiden Posten in Bolsonaros Regierung. Zudem stehen viele Polizisten und Soldaten hinter dem ehemaligen Hauptmann. So deutet Bolsonaro immer wieder an, dass sie eine Machtübernahme durch "die Kommunisten" nicht hinnehmen würden. Bereits 1964 hatte das Militär geputscht und bis 1985 regiert.

In den vergangenen Wochen hatte sich das politische Klima in Brasilien noch einmal merklich aufgeheizt. So wurden mindestens drei PT-Anhänger durch fanatische Bolsonaro-Wähler getötet. Da Bolsonaro Waffenbesitz erleichtert hat, verfügen viele über Schusswaffen. Um mögliche Gewalttaten zu unterbinden, hat das Oberste Wahlgericht Privatpersonen das Tragen von Waffen am Sonntag untersagt. Für Bolsonaros Anhänger ist dies ein weiterer Beweis dafür, dass die Obersten Richter auf Lulas Seite stehen.

Autor: Thomas Milz, kna

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