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Brasilien verschärft Abtreibungsrecht

Brasiliens Gesundheitsministerium hat mit einer neuen Anordnung die Abtreibungsregeln verschärft. Den von Medien kolportierten Zwang für die Schwangeren, sich Ultraschallbilder des Fötus anzusehen, gibt es jedoch nicht.

Abtreibung, Brasilien, Schwangerschaftsabbruch, Frauenrechte

Demonstration in Belo Horizonte, Brasilien, im November 2017 für das Recht auf legale Abtreibung. Foto: Ato contra a pec 181Mídia NINJACC BY-NC-SA 4.0

Eine vergewaltigte Frau darf abtreiben, so ein 1940 in Brasilien erlassenes Gesetz. Zudem sind Abtreibungen in zwei weiteren Fällen erlaubt: bei Anenzephalie, also einer schweren Hirnschädigung des Fötus, oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Doch offizielle, also von der Justiz genehmigte Schwangerschaftsabbrüche, sind in Brasilien rar; vielmehr soll es Hunderttausende illegale Abtreibungen pro Jahr geben, schätzen Experten.

Vergewaltigtes Mädchen an den Pranger gestellt

Wie schwierig es ist, eine offizielle Abtreibung durchzuführen, musste Mitte August ein zehnjähriges Mädchen erfahren, das seit dem sechsten Lebensjahr von seinem Onkel vergewaltigt wurde. Obwohl von der Justiz genehmigt, weigerten sich Ärzte einer Universitätsklinik, den Abbruch durchzuführen. Vor einem anderen Krankenhaus musste sich das Kind von evangelikalen Lebensschützern beschimpfen lassen, bevor es abtreiben konnte.

Die Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte, die evangelikale Pastorin Damares Alves, hatte versucht, das Mädchen von der Abtreibung abzubringen. Die Zehnjährige sei dadurch "religiösem Druck durch den Staat" ausgesetzt worden, obwohl sie lediglich von ihrem Recht Gebrauch machen wollte, so die Anthropologin und Abtreibungsbefürworterin Debora Diniz, die seit Jahren bedroht und angefeindet wird.

Verschärfte Regeln für Abtreibung nach Vergewaltigung

Am Freitag veröffentlichte der Interimsgesundheitsminister Eduardo Pazuello, ein General ohne medizinische Erfahrung, verschärfte Regeln für Abtreibungen nach Vergewaltigungen. Die Ärzte müssen die Vergewaltigung nun an die Polizei melden und Beweise für eine spätere Strafverfolgung sichern - also DNA-Spuren des Fötus oder Embryos aufbewahren.

Der Anordnung Nr. 2.282 ist ein Formular beigefügt. Darin soll die Schwangere die Vergewaltigung bestätigen sowie Täter und Zeugen benennen. Zudem muss sie versichern, sich der rechtlichen Konsequenzen falscher Angaben bewusst zu sein. Sprich: Wenn sie die Vergewaltigung erfunden haben sollte, um abtreiben zu können, drohen rechtliche Konsequenzen. Auch die Unterschrift von drei Medizinern ist erforderlich. Schwangere beziehungsweise deren Vormund müssen zudem bestätigen, dass sie sich möglicher medizinischer Komplikationen des Eingriffs bewusst ist.

Artikel 8 der Anordnung verpflichtet die Ärzte zudem, die Schwangere über die Möglichkeit zu informieren, sich den Embryo im Ultraschall ansehen zu können, sofern sie dies wünscht. Am Samstag kursierten Medienberichte, die behaupteten, die Betroffene sei verpflichtet, sich die Bilder anzusehen. Dies trifft jedoch nicht zu. Experten sehen in dem Artikel sogar einen Schutz für die Schwangere, der die Ultraschallbilder nur gezeigt werden dürfen, wenn sie dies ausdrücklich wünscht, und nicht, wenn es Ärzte oder Dritte für angezeigt halten. Das scheint in Brasilien öfter vorzukommen.

Kritik aus Politik und Wissenschaft

Insgesamt stieß die neue Anordnung aber auf Kritik bei Politikern und Wissenschaftlern. Noch am Freitag beantragten Abgeordnete des Bundeskongresses die Aussetzung der Anordnung. Das neue Prozedere solle die Schwangeren einschüchtern und damit von der Abtreibung abbringen, argumentierten sie. Wichtig ist dabei die Tatsache, dass in Brasilien 54 Prozent der Opfer sexueller Gewalt Mädchen unter 13 Jahren sind, also Kinder, für die die ohnehin schmerzhafte Situation durch eine nahezu polizeiliche Befragung verlängert wird.

Zudem dürften die Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen die jungen Frauen und Mädchen zusätzlich einschüchtern. Auch bietet die Anordnung eine Bresche für Mediziner, den Eingriff abzulehnen, indem sie Zweifel an den Angaben der Betroffenen äußern. Die neue Anordnung verwandle legale Abtreibungen in polizeiliche Untersuchungen, so die Anthropologin Diniz.

"Die Anordnung schafft eine Reihe von Barrieren, die ganz klar auf einer Ideologisierung der Wissenschaft basiert, deren einziges Ziel es ist, den Frauen Angst einzujagen", so Diniz in der Zeitung "Folha de S. Paulo". Andere Experten glauben, dass die neue Anordnung letztlich noch mehr Schwangere zu heimlichen Abtreibungen dränge, da der offizielle Weg nun erschwert wurde. Denn eine rechtlich einwandfreie Alternative bietet der Staat den Betroffenen schließlich nicht.

Quelle: KNA, Autor: Thomas Milz

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