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Brasilien: Neuer Anlauf für ein Ende von Gewalt und Kriminalität

Rio de Janeiros Landesregierung hat zwei der berüchtigtsten Favelas der Stadt besetzt. Im Wahljahr 2022 startet man damit einen erneuten Versuch, die Gebiete von Drogenbanden zu befreien.

Die Armenviertel Jacarezinho und Muzema in Rio de Janeiro wurden von der Polizei besetzt. Foto (Symbolbild): Escher/Adveniat

In den frühen Morgenstunden des vergangenen Mittwochs stürmten Hunderte bewaffnete Polizisten die Armenviertel Jacarezinho und Muzema in Rio de Janeiro. Es sei der Startschuss für ein neues Programm der Landesregierung mit dem Namen "Cidade Integrada" (integrierte Stadt), hieß es. Damit sollen von Drogenbanden und Milizen kontrollierte Gebiete zurückerobert werden, erklärte der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Claudio Castro, am Wochenende. Vor den Wahlen im Oktober will der bislang unscheinbare Gouverneur damit punkten.

Insgesamt waren am Mittwoch 1.300 Beamte sowie Hubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz. Die Behörden wollten vorbereitet sein, denn die Favela Jacarezinho im Norden der Stadt wird von einer gewalttätigen Drogenbande beherrscht. Im Mai 2021 hatte es hier ein Massaker durch Polizeikräfte gegeben, die nach Drogenhändlern fahndeten. Nachdem ein Polizist von den Gangstern erschossen wurde, richtete die Polizei ein Blutbad an; 27 Personen wurden getötet.

Die Favela Muzema im Westen wird hingegen von paramilitärischen Milizen kontrolliert, die Verbindungen zu Polizei, Militär und in die Politik haben. Bekannt wurde das illegal errichtete Viertel durch den Einsturz mehrerer Gebäude im April 2019, bei dem 24 Menschen starben.

Infrastruktur- und Sozialprogramme

Castro will in beiden Vierteln nun eine Offensive in den Bereichen Infrastruktur und Sozialprogramme starten. So sollen die Häuser ans Trinkwassernetz und die Kanalisation angeschlossen werden. In Muzema sollen die in illegal errichteten Häusern lebenden Menschen einen Besitztitel erhalten; die von den Milizen errichteten Gebäude wären damit legalisiert. Zudem soll Schluss sein mit den von Milizen kontrollierten Handel mit Kochgas sowie mit irregulären Internet- und TV-Anschlüssen.

In Jacarezinho soll eine Polizeigarnison mit 400 Beamten derweil für Ordnung sorgen. Für beide Favelas sind Sozialprogramme geplant, unter anderem für 2.000 Frauen. Insgesamt hat die Landesregierung laut Castro umgerechnet rund 80 Millionen Euro für die Projekte reserviert. Es gehe auch darum, Bäche und Kanäle in der Region zu säubern.

All diese Ideen sind nicht neu. Bereits ab 2008 hatten Rios Sicherheitskräfte Zug um Zug die wichtigsten Favela-Slums der Stadt besetzt. Die sogenannte Befriedungspolizei (Unidade de Policia Pacificadora, UPP) richtete dort Posten ein. Sozialprogramme sollten zu einer Verbesserung der Lebenssituation der Bewohner beitragen. Zu Olympia 2016 sollte in Rio Frieden herrschen. Kritiker monierten, dass sich die Initiative hauptsächlich auf die touristischen Gebiete der Stadt beschränkte.

Das Projekt scheiterte schließlich an der Gewalt und Korruption der eingesetzten Einheiten. Zudem misstraute die Bevölkerung den Behörden. So gelang es den zuerst vertriebenen Drogenbanden, wieder Fuß zu fassen. 2018 beschloss die Landesregierung, 12 der 38 bis dahin besetzten Favelas wieder zu räumen. Andere Einheiten wurden ausgedünnt. Das Projekt gilt seit Jahren als gescheitert.

Ein neuer Versuch

Nun wagt Gouverneur Castro einen neuen Anlauf mit neuem Ansatz. "Dies ist kein Programm zur Befriedung", stellte Castro am Wochenende klar. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass dieser Versuch mehr Schaden als Fortschritt gebracht habe. Damit will sich Castro offenbar von den gescheiterten Ansätzen seiner Vorgänger abgrenzen.

Anders als beim 2008 gestarteten UPP-Projekt soll die Ausweitung des Programms "Cidade Integrada" langsam voranschreiten. Erst wenn sich die Pilotprojekte in Jacarezinho und in Muzema als erfolgreich erweisen, wolle man sie auf andere Armengebiete ausweiten, so Castro, der 2018 zu Rios Vizegouverneur gewählt worden war. Im August 2020 hatte er die Amtsgeschäfte für den wegen Korruption abgesetzten Gouverneur Wilson Witzel übernommen. Doch auch gegen Castro gibt es Vorwürfe von Bestechlichkeit.

So oder so wird die Aufgabe keine leichte sein. Auf dem Stadtgebiet von Rio gibt es rund 1.000 Favelas, in denen laut Schätzungen bis zu zwei Millionen Menschen leben.

Autor: Thomas Milz (KNA)

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