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Brasilien: Indigene protestieren für ihre Rechte

Zum 18. Mal halten Brasiliens Indigene ihren Protest "Terra Livre" ab. Sie wehren sich gegen den Versuch der Regierung, ihre Gebiete zu beschneiden und für die wirtschaftliche Ausbeutung freizugeben.

Indigener Protestcamp "Terra Livre" 2019 in Brasilia. Auf dem Transparent steht: "Demarkierung jetzt!!!". Foto (Symbolfoto): ATL Dia 3 • 26/04/2019 • Brasília DF, Mídia NINJA, CC BY-NC 4.0

Indigener Protestcamp "Terra Livre" 2019 in Brasilia. Auf dem Transparent steht: "Demarkierung jetzt!!!". Foto (Symbolfoto): ATL Dia 3 • 26/04/2019 • Brasília DFMídia NINJACC BY-NC 4.0

Gewalt ist im brasilianischen Urwald zum Alltag geworden. An Montag drangen Goldsucher in das Indigenendorf Pixanehabi in Nordbrasilien ein. Die dort lebenden Yanomami weigern sich, illegale Goldförderung auf ihrem Gebiet zuzulassen. Bei dem Gewaltausbruch wurden ein Indigener und ein Goldsucher getötet, fünf weitere Personen sollen verletzt worden sein.

Aus dem Gliedstaat Roraima, wo die Yanomami leben, kam ebenfalls am Montag ein eindringlicher Hilferuf. "Die Yanomami werden attackiert", so der Titel einer Studie über das Vorrücken illegaler Goldsucher auf dem Territorium der Indigenen. Im Vergleich zu 2020 haben die Aktivitäten der Goldsucher demnach um 46 Prozent zugenommen. Davor hatte es bereits einen Anstieg um 30 Prozent von 2019 auf 2020 gegeben. Rund 3.300 Hektar indigenes Land seien zerstört worden.

Yanomami existenziell bedroht

Die Daten stammen aus einer vom Yanomami-Dachverband Hutukara am Montag veröffentlichten Studie. Die Yanomami-Organisation ist Adveniat-Projektpartner und wird von dem deutschen Lateinamerika-Hilfswerk finanziell unterstützt. "Die illegale Goldförderung auf dem Yanomami-Gebiet hat zu einer Explosion der Fälle von Malaria und anderen Infektionskrankheiten geführt", so der Bericht. Dazu komme die Verseuchung der Gewässer durch das eingesetzte Quecksilber, die Abholzung von Regenwald sowie die Gewalt von Goldsuchern gegen Indigene.

Seit Jahren wehren sich die Yanomami gegen das illegale Treiben auf ihrem Gebiet. Rund 20.000 Goldsucher sollen vor Ort sein. Videoaufnahmen zeigen Krater und Schneisen im Urwald, dort wo die Goldsucher roden und die Erde umpflügen. Vor 30 Jahren, im Mai 1992, wurde das Reservat eingerichtet. Doch zum Feiern dieses Jahrestags ist den Yanomami nicht zumute.

Indigener Protest in Brasilia

Gemeinsam mit rund 300 Indigenenvölkern protestieren sie stattdessen seit dem 4. April in der Hauptstadt Brasilia. Unter dem Motto "Terra Livre" (Freies Land) finden dort zum 18. Mal die Protesttage statt. Rund 8.000 Indigene kampieren noch bis Donnerstag nahe dem Regierungsviertel. Die Protesttage stehen unter dem Motto "Retomando o Brasil: Demarcar Territorios e Aldear a Politica" (Brasilien zurückerobern: Territorien abstecken und Politik beeinflussen).

Dahinter steht die Forderung, die in der Verfassung von 1988 festgeschriebene Übergabe traditioneller Siedlungsgebiete an die Indigenen endlich abzuschließen. Doch seit Jahren kommen die Demarkationen nicht voran - unter der aktuellen Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro läuft man gar Gefahr, bereits eingerichtete Gebiete zu verlieren.

So überreichte etwa das Volk der Xokleng ein Schreiben an das Oberste Gericht in Brasilia. Der seit Jahren laufende Prozess um das Reservat Ibirama La-Klano im südbrasilianischen Santa Catarina möge endlich entschieden werden. Dem Volk waren 1914 rund 40.000 Hektar Land zugeteilt worden, in den 1950er Jahren besiedelten Farmer jedoch 26.000 Hektar davon. Weiteres Gebiet wurde durch einen Stausee überschwemmt.

Agrarwirtschaft übt Druck aus

Die Xokleng und viele andere Völker hoffen darauf, dass sich in der brasilianischen Justiz nicht die These des "Marco Temporal", des "Zeitfensters 1988" durchsetzt, wonach die Indigenen nur Anspruch auf das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung am 5. Oktober 1988 tatsächlich besiedelte Gebiet haben. Was ihnen davor geraubt wurde, wäre für immer verloren.

Landwirte und Agrarverbände machen Druck auf Politik und Justiz, den Indigenen möglichst wenig Land zuzuteilen. Präsident Bolsonaro, der offen für die Reduzierung der Indigenengebiete ist, will diese gar für die Förderung von Rohstoffen öffnen. In den kommenden Tagen dürfte der Kongress über den Gesetzentwurf 191/2020 diskutieren, der auch die illegale Goldförderung legalisieren würde.

Gewalt gegenüber Indigenen nimmt zu

Für die Indigenen brächte dies wohl eine Zunahme der Gewalt. Im Jahr 2020 hatte die Fachstelle der katholischen Kirche für Indigenenfragen (Cimi) 182 Morde an Indigenen gezählt, gegenüber 113 im Jahr 2019. Zudem registrierte Cimi illegale Landnahmen in 201 Reservaten in ganz Brasilien. Von den insgesamt 1.299 Indigenengebieten im Land warten 832, das sind 64 Prozent, immer noch auf die endgültige Legalisierung. In 536 Fällen sei die Regierung bisher komplett untätig geblieben, so Cimi.

Immerhin konnten die Yanomami einen ersten, wenn auch zunächst kleinen Erfolg vermelden. Am Montagabend forderte die Bundesstaatsanwaltschaft die Zentralregierung auf, gegen die illegalen Goldsucher auf Yanomami-Gebiet vorzugehen. Ob die Regierung aktiv wird, ist jedoch fraglich. Die Goldsucher gehören zum harten Kern der Bolsonaro-Wähler. Im Oktober braucht der Präsident ihre Stimmen für seine Wiederwahl.

Autor: Thomas Milz (kna)

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