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Brasilien: Geheimabsprachen beenden Brasiliens Antikorruptionseinheit

Die Korruptionsermittlungen der "Operation Waschstraße" haben Brasilien politisch auf den Kopf gestellt. Doch Ermittler und Richter waren parteiisch; so kann die korrupte Polit-Kaste die Ermittlungen nun beerdigen.

Luiz Inácio Lula da Silva bei Rede

Luiz Inácio Lula da Silva auf einer Veranstaltung 2017 (Symoblfoto) Luiz Inácio Lula da SilvaRenato GizziCC BY-NC 4.0

Von Hackern 2019 geklaute und nun teilweise veröffentlichte Textnachrichten belegen illegale Absprachen zwischen den Ermittlern, der Staatsanwaltschaft und dem Richter der brasilianischen "Operation Lava Jato" ("Waschstraße"). Dabei wird deutlich, dass die Justiz darauf aus war, den ehemaligen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (2003-2010) an einer erneuten Kandidatur zu hindern. In einem Dialog geben die Ermittler die Devise aus, man möge dem Ex-Präsidenten "in den Kopf schießen". Sprich: Die Ermittlungen sollten sich auf den ehemaligen Gewerkschaftsführer konzentrieren. Lula wurde im Rahmen der "Lava Jato" später zweimal verurteilt und musste 2018 für anderthalb Jahre in Haft.

Seit Brasiliens Rückkehr zur Demokratie Ende der 1980er Jahre hat kein Ereignis das Land dermaßen geprägt wie "Lava Jato". Die Massenproteste Mitte 2013 gegen soziale Ungerechtigkeit und die Milliardenausgaben für die Fußball-WM 2014 hatten den Boden für die Erfolge der Ermittler bereitet. Als Mitte 2014 Details über ein weit gespanntes Korruptionsnetz bekannt wurden, heizte sich der Bürgerzorn gegen das korrupte Polit-Establishment weiter auf.

Lula und Arbeiterpartei waren Hauptziel der Ermittler 

Im Zentrum des Skandals standen Staatsbetriebe wie der Energieriese Petrobras und Privatunternehmen wie Baugigant Odebrecht, die zugunsten von Politikern nahezu aller Parteien über abgekartete Staatsaufträge abkassierten. Begleitet von einer frenetischen Berichterstattung der Medien über Verhaftungen oder Hausdurchsuchungen bei einst mächtigen Politikern und Unternehmen wurden die Ermittler zu Helden. Es gab 533 Angeklagte, 278 Verurteilungen, 34 Politiker und 60 Unternehmer mussten in Haft. Richter Sergio Moro wurde gar als künftiger Präsident gehandelt.

Lula und seine Arbeiterpartei PT bezichtigten die Ermittler dagegen der Parteilichkeit. Man wolle die PT aus der Regierung drängen und zugleich die korrupten konservativen Politiker vor Strafverfolgung schützen, hieß es. Auch das Impeachment von Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff Mitte 2016 sei Teil des abgekarteten Spiels. Dazu passt, dass Lula 2018, wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen, von Moro ins Gefängnis gebracht wurde und damit nicht bei den Wahlen antreten durfte. Bezeichnend ist auch, dass "Lava Jato" seit dem "Abschuss" Lulas deutlich an Fahrt verloren hat.

Seitdem Mitte 2019 erste Dialoge der geklauten Textnachrichten auf der Enthüllungsplattform "The Intercept" veröffentlicht wurden, fiel das Kartenhaus der "Lava Jato" immer rascher in sich zusammen. Dazu kam, dass Richter Moro 2019 als Justizminister in das Kabinett von Präsident Jair Messias Bolsonaro eintrat. Ex-Militär Bolsonaro hatte seinen Wahlkampf auf den Anschuldigungen gegen Lula und die PT aufgebaut und profitierte davon, dass sein Erzfeind von Moro an einer Kandidatur gehindert wurde. Lula versucht seitdem, Moros Urteile wegen Befangenheit vor dem Obersten Gericht zu kippen.

Staatsanwaltschaft stellt Lava Jato ein 

Das Oberste Gericht war zuletzt von der "Lava Jato" abgerückt. Für eine Mehrheit der Obersten Richter haben die Ermittler die eigenen Kompetenzen mit krimineller Energie überschritten. Neben illegalen Absprachen zwischen Moro, den Ermittlern und Staatsanwälten gab es demnach illegalen Datenaustausch mit Ermittlern in der Schweiz und den USA. Das Oberste Gericht könnte demnächst gar die Prozesse der "Lava Jato" für ungültig erklären.

Ein Interesse, die "Lava Jato" ein für alle Mal zu beerdigen, haben indes Politiker aus fast allen Parteien. Bolsonaro, der sich 2020 mit Moro überwarf, hat längst das Saubermann-Image abgelegt. Von seinem Wahlkampfversprechen, "Lava Jato" weiterzuführen, ist nichts geblieben. Um sich selbst angesichts zahlreicher Skandale vor einem Impeachment zu schützen, koaliert Bolsonaro mit den korruptionsanfälligen Zentrumsparteien. Wenn es darum geht, die Korruptionsermittlungen zu beerdigen, versteht sich auch Lulas linke PT gut mit den Parteien des Zentrums und des rechten Rands.

Anfang Februar erklärte nun die zuständige Staatsanwaltschaft des Gliedstaates Parana, die Spezialeinheit "Lava Jato" sei nach sieben Jahren eingestellt worden. Die offenen Fälle werden auf andere Ermittlungsgruppen verteilt. Proteste auf den Straßen gegen das Ende der einstigen Volkshelden gab es nicht. Nur vereinzelt wiesen Kommentatoren in den Medien darauf hin, dass "Lava Jato" sich zwar illegaler Methoden bediente, die Politiker und Unternehmer aber trotzdem erwiesenermaßen korrupt waren.

Autor: Thomas Milz (kna) 

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