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Brasilien: Bolsonaro und der Regenwald: eine Bilanz

In Jair Bolsonaros Präsidentschaft fällt eine erneute deutliche Zunahme der Abholzung im Amazonasgebiet. Kurz vor den Wahlen in Brasilien fragen wir: Wie geht es dem Regenwald nach knapp vier Jahren Bolsonaro?

Rinderweiden im brasilianischen Amazonas-Regenwald zwischen Alenquer und Obidos. Foto: Adveniat/Florian Kopp

Rinderweiden im brasilianischen Amazonas-Regenwald zwischen Alenquer und Obidos. Foto: Adveniat/Florian Kopp

Der Amazonas-Regenwald gilt als eines der sogenannten Kippelemente, die das Weltklima aus dem Gleichgewicht bringen können. Schätzungen zufolge könnte für das Erreichen des Kipppunktes ein Verlust von 20 bis 25 Prozent der Walddecke im Amazonasbecken ausreichen. Laut Studien sind bereits etwa 18 Prozent des brasilianischen Amazonas entwaldet. Etwa 60 Prozent des Regenwaldes liegen auf brasilianischem Staatsgebiet.

Unter dem Rechtspopulisten Jair Bolsonaro, der seit dem 1. Januar 2019 Brasiliens Präsident ist, sind die Abholzungsraten nach Jahren der Reduktion wieder gestiegen. Aktivisten und Indigene haben wegen Bolsonaros Umweltpolitik im Oktober 2021 sogar eine Klageschrift beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht. Rechtsexperten zufolge könnte es allerdings Jahre dauern, bis der IStGH entscheidet, ob er die Klage überhaupt annimmt.

Wie hat sich die Abholzung in Jair Bolsonaros Amtszeit entwickelt?

Die Abholzung des Regenwaldes wird anhand von Satellitenbildern von Brasiliens weltweit anerkanntem Weltraumforschungsinstitut INPE überwacht. Demnach ist die jährlich abgeholzte Fläche seit Bolsonaros Amtsübernahme wieder deutlich angestiegen, auf Werte von mehr als 10.000 km², 2021 sogar über 13.000 km². Zuvor hatte es etwa zehn Jahre lang eine Phase mit niedrigeren Abholzungsraten gegeben. Davor wiederum waren die Abholzungsraten jedoch auch schon so hoch wie unter Bolsonaro als Präsident gewesen - teilweise sogar noch deutlich höher. Das betrifft auch die ersten Jahre von Lulas Präsidentschaft, der bei den Wahlen am 2. Oktober Bolsonaros Hauptkonkurrent ist und aktuell mit dem Versprechen von mehr Klima- und Umweltschutz für sich wirbt.

Erika Bechara, Professorin für Umweltrecht an der Päpstlichen Katholischen Universität von São Paulo (PUC), erklärt: "Es stimmt, dass die Entwaldung im Amazonasgebiet in den 2000er Jahren sehr hoch war. Aber dank des Aktionsplans zur Prävention und Kontrolle der Entwaldung im Amazonasgebiet (PPCDAM) und weiteren Maßnahmen gelang von 2009 bis 2018 ein deutlicher Rückgang. Es war daher enttäuschend zu sehen, wie die Entwaldung wieder explodiert ist. Unter der derzeitigen Regierung hat Rückschritt statt Fortschritt stattgefunden."

Wie viele Waldbrände gab es?

Die verheerenden Feuer, die vor allem 2019 und 2020 im Amazonasgebiet wüteten, dürften noch vielen in Erinnerung sein. Die vom INPE registrierten Brände negierte Bolsonaro zeitweise. Er warf dem Forschungsinstitut und Umweltschützern vor, Brasilien schaden zu wollen, lehnte Hilfe aus dem Ausland ab und verpflichtete das Militär erst spät zur Hilfe bei den Löscharbeiten. Dafür erntete Bolsonaro damals massive internationale Kritik. Auch dieser Tage toben im brasilianischen Amazonasgebiet wieder schwere Brände.

Sie stehen in direktem Zusammenhang zur Entwaldung: Meist werden Bäume zunächst gefällt und die abgeholzten Flächen dann in Brand gesteckt, um neue Weideflächen und Ackerland zu schaffen. "Normalerweise wäre der Amazonaswald keine Gegend, in der es regelmäßig von alleine brennen würde. Die Brände im Amazonas werden meist von Menschen verursacht", sagt auch der Ökologe Divino Vicente Silvério. Trockenzeiten, die immer länger andauerten und extremer würden, könnten solche Feuer dann jedoch verstärken und außer Kontrolle geraten lassen.

Ein Blick auf die Daten des INPE verrät, dass in Bolsonaros Amtszeit nicht mehr Fläche im Amazonasgebiet verbrannt ist als in den meisten vorangegangenen Jahren. So waren es 2019 etwa 72.450 km² und im Folgejahr knapp 77.400 km². Auch 2015 etwa verbrannten fast 93.680 km² und 2005 sogar 160.860.

Silvério, der Professor an der Ländlichen Bundesuniversität von Amazonien (UFRA) ist, erklärt dies so: "Zwar beobachten wir hinsichtlich der Feuer unter Bolsonaro keine Höchstwerte, wohl aber die Rückkehr eines starken Zusammenhangs zwischen Feuern und Abholzung. In den Jahren zuvor war dieses Verhältnis dagegen schwächer gewesen und die teils großen Flächen verbrannten Waldes eher auf extreme Trockenheit zurückzuführen, etwa 2005 und 2015. Das sieht man auch daran, dass die Abholzungsraten, anders als die Feuer, in diesen Jahren nach unten zeigten." Die Jahre 2019 und 2020 dagegen seien in Brasilien eigentlich keine Jahre mit extremer Witterung gewesen, die die Wälder besonders leicht hätte brennen lassen.

Was hat Bolsonaro in Sachen Schutz des Regenwaldes unternommen?

Der Rechtspopulist gilt als Klimaskeptiker und Freund der Agrarlobby. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er das Amazonasgebiet vor allem als wirtschaftliches Nutzgebiet sieht und weitere Flächen für Landwirtschaft und Bergbau erschließen will.

Indigene und Umweltschützer haben vielfach beklagt, dass Bedrohungen gegen sie seit dem Amtsantritt Bolsonaros zugenommen hätten - unter anderem, weil der brasilianische Präsident ein Klima geschaffen habe, dass Bauern zur illegalen Landnahme und illegale Holzfäller und Goldgräber zum Eindringen in geschützte Gebiete ermutige. Bolsonaros Verfehlungen hinsichtlich des Schutzes des Regenwaldes lassen sich auch an konkreten Maßnahmen festmachen, unter anderem:

Schwächung der Umwelt- und Kontrollbehörden: Unter Bolsonaro hat der Jahresetat des Umweltministeriums und der diesem unterstehenden Einrichtungen deutliche Kürzungen erfahren. Der Nichtregierungsorganisation "Observatório do Clima" zufolge war der Etat 2021 der niedrigste seit zwei Jahrzehntenbn. Dem brasilianischen Umweltministerium unterstehen unter anderem die Umweltbehörden IBAMA und ICMBio, die Verstöße gegen Umweltauflagen kontrollieren. Deren Tätigkeiten wurden nicht nur durch geringere Mittel erschwert, sondern ihnen wurden ebenso Befugnisse entzogen und unliebsame Mitarbeitende suspendiert.

Amazonas-Fonds auf Eis gelegt:

Den Fonds gibt es seit 2008, er soll bei der Finanzierung des Regenwald-Schutzes und der Förderung der Biodiversität helfen. Er galt als Erfolg, größter Geldgeber war Norwegen, auch Deutschland und andere Staaten steuerten etwas bei. Doch viele Länder stellten ihre Zahlungen 2019 ein, da sie immer mehr daran zweifelten, dass Brasília weiterhin den Regenwald schützen wollte. Bolsonaros Kommentar dazu damals: "Brasilien braucht das Geld nicht." Auch die 2,9 Milliarden Real, die sich laut Umweltorganisationen bis zum Zahlungsstopp im Fonds angesammelt hatten, wurden nicht abgerufen, seit Bolsonaro den Amazonien-Fonds komplett auf Eis legte, weil ihm das Mitspracherecht von Nichtregierungsorganisationen nicht passte. Die NGO müssten überprüft werden, hieß es. Seitdem ist nichts weiter passiert.

Vernachlässigung des PPCDAM:

Die derzeitige Regierung orientiert sich laut Expertin Bechara nicht mehr am Aktionsplan zur Prävention und Kontrolle der Entwaldung im Amazonasgebiet (PPCDAM) und habe auch keinen alternativen Plan für das Amazonasgebiet. Dies sei auch Gegenstand einer Klage vor Brasiliens Oberstem Gerichtshof. "Das Urteil steht noch aus, aber Bundesrichterin Carmen Lúcia ist der Meinung, dass die derzeitige Regierung systematisch gegen verschiedene Verfassungsgrundsätze verstößt, indem sie die Kontrollen reduziert, keinen wirksamen Plan zur Bekämpfung der Entwaldung hat, nicht den gesamten für den Umweltschutz zur Verfügung stehenden Haushalt verwendet und die Rechte der indigenen Völker nicht schützt."

Änderungen beim Umweltrat CONAMA:

Der Rat setzt sich aus Politikern der Bundes-, Landes- und Kommunalregierungen sowie Vertretern der Wirtschaft, von Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft zusammen. Er berät unter anderem über Richtlinien und Standards und schlägt sie dem Bundesrat vor. Fachanwältin Bechara erklärt: "Durch ein 2019 erlassenes Dekret wurde die Zahl der Mitglieder erheblich reduziert, von 94 auf 21, und dabei der Anteil der organisierten Zivilgesellschaft unverhältnismäßig verringert." Somit sei die soziale Teilhabe an den Entscheidungen des CONAMA beeinträchtigt worden.

So hilft Adveniat im Amazonasgebiet
Mit mehr als drei Millionen Euro fördert Adveniat jährlich Projekte im Amazonasgebiet. "Das Leben der indigenen Völker ist in Gefahr. Die Zerstörung ihrer Lebenswelt kommt einer schleichenden Ausrottung gleich", so Adveniat-Chef Pater Maier.

Quelle: Deutsche Welle, Autorin: Ines Eisele

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