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Brasilien: Angehörige von Brumadinho hoffen auf Prozess

Anfang 2019 starben bei einem Dammbruch in Brasilien 272 Menschen. Vor dem Münchner Landgericht beginnt nun der Zivilprozess gegen den TÜV Süd, der den Damm freigegeben hatte. Die brasilianische Justiz lässt sich Zeit.

Auf dem Foto ist deutlich zu sehen, welche enormen Flächen der verseuchte Schlamm unter sich begraben hat. Foto: Adveniat/Florian Kopp

Dieses Foto wurde knapp ein Jahr nach der Katastrophe in Brumadinho, Brasilien, aufgenommen. Bis heute wurde der verseuchte Schlamm nicht komplett abgetragen. Foto: Adveniat/Florian Kopp

Es waren Sekunden, die das Leben vieler Menschen auf ewig veränderten. Als das Abraumbecken der Eisenerzmine "Corrego do Feijao" am 25. Januar 2019 brach, ergossen sich 13 Millionen Kubikmeter Schlamm auf die brasilianische Kleinstadt Brumadinho. Mitarbeiter des Bergbauunternehmens Vale, aber auch Touristen, die in den Bergen des Gliedstaates Minas Gerais Urlaub machten, wurden unter teilweise meterdicken Schlammschichten begraben.

Katastrophe mit Ansage

Es machte die Tragödie nur noch unfassbarer, als klar wurde, dass Vale von der Instabilität des Dammes wusste. Mitarbeiter des brasilianischen Tochterunternehmens des TÜV Süd hatten das Abraumbecken Monate zuvor untersucht und den Betrieb genehmigt, obwohl sie an der Stabilität zweifelten. Vale soll Druck ausgeübt haben.

Im Oktober 2019 hatten daraufhin fünf Hinterbliebene gemeinsam mit dem katholischen Hilfswerk Misereor und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in München, wo TÜV Süd seinen Sitz hat, Anzeige erstattet. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung, Privatbestechung und Herbeiführung einer Überschwemmung.

"Wir hoffen, dass TÜV Süd tatsächlich verurteilt wird, und zwar entsprechend der Schwere des Verbrechens: Denn sie haben ein Stabilitätsgutachten für einen Damm verkauft, der zu brechen drohte", sagt Alexandra Andrade, Präsidentin der Opfergemeinschaft Avabrum, gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zum Prozessauftakt.

Mühlen der Justiz mahlen langsam

"Hätte TÜV Süd sich richtig verhalten, hätte Vale dort seine Aktivitäten abbrechen müssen - und all das wäre nicht passiert." Andrade, deren Bruder bei dem Unglück starb, äußert die Hoffnung, dass der Prozess in München einen positiven Einfluss auf das Verfahren in Brasilien hat.
Die brasilianische Justiz hatte Anfang 2020 fünf Mitarbeiter des TÜV Süd sowie elf Mitarbeiter von Vale wegen Totschlags angeklagt. Die Unternehmen wurden zudem wegen Vergehen gegen Flora und Fauna sowie wegen Umweltverschmutzung angeklagt.

Bisher habe sich jedoch nur die Ineffizienz und Langsamkeit der brasilianischen Justiz bestätigt, so Andrade. "Die brasilianische Justiz hat es immer noch nicht geschafft, fünf der 16 Angeklagten zu finden, gegen die die Staatsanwaltschaft von Minas Gerais im Januar 2020 Klage eingereicht hat." So ist die Klagezustellung an diese Personen auch fast 600 Tage nach dem Unglück immer noch nicht erfolgt. Drei dieser fünf Personen sollen laut Medienberichten bei TÜV Süd angestellt sein.

Das Ziel: Gerechtigkeit erlangen

Dass nicht alle Angehörigen in München mitklagen, sei kein Zeichen für eine Spaltung der Gruppe, so Andrade. Sie berichtet von Depressionen und Stress-Traumata der Familien. "Es ist schwierig, den Alltag zu bewältigen. Manche Familien leiden so sehr, dass sie noch nicht an einen Prozess gedacht haben."

Vagner Diniz bestätigt dies. Er hat in Brumadinho zwei erwachsene Kinder und seine im fünften Monat schwangere Schwiegertochter verloren. Die Familie wolle ihre Energie auf den Prozess in Brasilien konzentrieren, sagt er der KNA. "Es gibt hier sehr viel zu tun, um eine umfassende Entschädigung und Wiedergutmachung zu erreichen. Und wir wollen daran glauben, dass wir hier Gerechtigkeit erlangen können." Man unterstütze diejenigen, die in München ihr Recht suchen. "Aber wir selber haben nicht genug Kraft, um da auch noch mitzumachen."

Profit nicht um jeden Preis

Für Diniz ist die Schuld von Vale und TÜV Süd durch die bisherigen Ermittlungsergebnisse belegt. "Wir hoffen, dass die deutsche Justiz diesen Unternehmen zeigt, dass derartiges Verhalten ernsthafte Konsequenzen mit sich bringt. Und vielleicht bringt das deutsche Beispiel auch andere Länder dazu, ihre Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Die Rechte der Menschen müssen respektiert werden, egal wo auf der Welt."

Dabei war Brumadinho nicht die erste Katastrophe: Im November 2015 war im 120 Kilometer entfernten Mariana ein Abraumbecken der Vale-Tochter Samarco gebrochen, 19 Menschen starben. Dort warten immer noch viele Anwohner auf die versprochenen Entschädigungen.

In Brasilien hätten große Unternehmen wie Vale nun einmal viel Einfluss auf die Justiz und Politik, so Diniz. "Aber wir Angehörigen glauben, dass die Gerechtigkeit siegen wird, früher oder später." Auch Andrade hofft auf eine exemplarische Bestrafung, damit Behörden und die Bergbaubranche endlich zu effizienter Kontrolle gezwungen werden. Doch das dauere wohl. "Die Justiz ist wesentlich langsamer als die Schlammlawine, der in weniger als einer Minute 272 Menschen tötete."

Adveniat hilft den Opfern
Seit dem Tag der Katastrophe unterstützt Adveniat mit den Partnern der Diözese Belo Horizonte die Angehörigen der Opfer. Dabei stehen die Sozialarbeit sowie die psychologische und spirituelle Begleitung im Vordergrund. Helfen Sie mit!

Text: Thomas Milz (kna)

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