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Brasilien: 34. Biennale in São Paulo: „Es ist dunkel, aber ich singe“

Mit einem Jahr Corona bedingter Verzögerung ist am Samstag die 34. Biennale in São Paulo gestartet. Unter dem Motto „Faz escuro mas eu canto“ (Es ist dunkel, aber ich singe) finden 91 Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt zusammen, darunter so viele indigene Vertreter wie noch nie bei dem Kulturevent in Südbrasilien.

Biennale 2008 in São Paulo, Brasilien. Foto (Symbolbild): Pavilhão da Bienal, Michell Zappa, CC BY-SA 4.0

Biennale 2008 in São Paulo, Brasilien. Foto (Symbolbild): Pavilhão da Bienal,Michell ZappaCC BY-SA 4.0

Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen anderthalb Jahren Vieles durcheinander gebracht. Auch die eigentlich für 2020 geplante 34. Biennale musste um ein Jahr verschoben werden. Ein Nachteil sei das nicht, ganz im Gegenteil, findet der Kurator der Biennale, Jacopo Crivelli Visconti. „Unser Anliegen mit dieser Biennale wurde durch die Verschiebung eigentlich noch klarer, denn jedem wird bewusst, inmitten welcher dramatischen Veränderungen wir uns befinden. Das hat der Biennale also zusätzlich etwas gegeben“, erklärt der Italiener, der seit zwanzig Jahren in São Paulo lebt, im Gespräch mit Blickpunkt Lateinamerika. 

Die Türen der Biennale bleiben bis zum 5. Dezember geöffnet. Das Motto der Ausstellung „Faz escuro mas eu canto“ („Es ist dunkel, aber ich singe“) stammt aus einem Gedicht des brasilianischen Poeten Thiago de Mello aus dem Jahre 1965, einem Jahr nach dem Beginn der Militärdiktatur in Brasilien, einer wahrlich dunklen Zeit. „Wir dachten, dass dieser Titel sehr gut repräsentiert, wie wir den aktuellen Moment angehen wollen“, sagt Jacopo Crivelli Visconti. Also wie ein Pfeifen im dunklen Wald.

Dunkle Zeiten in Brasilien

Es herrschen wieder dunkle Zeiten in Brasilien. Deutlich werden sie in Arbeiten wie denen des Fotografen Mauro Restiffe, der auf der Biennale Bilder von zwei sehr unterschiedlichen Momenten der brasilianischen Geschichte präsentiert: dem Amtsantritt des linken Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva 2003, eine Feier voller Hoffnung und fröhlicher Gesichter. Ein Moment der Freiheit und der Befreiung. Anders die von ihm ebenfalls fotografierte und der von Lula gegenübergestellte Amtseinführung von Präsident Jair Messias Bolsonaro, eine beklemmende Hochsicherheitsveranstaltung.

Seit Anfang 2019 regiert mit dem Ex-Militär Bolsonaro ein Verteidiger der Militärdiktatur das südamerikanische Land. Seine Wahl war Ausdruck einer extremen Polarisierung der Gesellschaft, die nach seinem Wahlsieg nur noch stärker wurde. So findet die Biennale inmitten ideologischer Schützengräben von Links und Rechts statt, einem außerordentlich konfliktreichen und angespannten Moment. In der nächsten Woche wollen Bolsonaros Anhänger auf die Straßen gehen; viele von ihnen fordern eine Rückkehr der Militärs an die Macht.

Thema Amazonien: Ökologie und Landrechte

Auch was die indigene und ökologische Situation angeht sind es dunkle Zeiten. In diesen Tagen erleben Brasiliens Indigene vor dem Obersten Gericht und im Kongress massive Angriffe auf ihre Landrechte, während ihre Territorien von Holzhändlern und Goldsuchern gebrandschatzt und von Landwirten besetzt werden. Umso wichtiger, „selbst in derart komplexen Momenten die Möglichkeit und die Notwendigkeit des Singens und des Kunstschaffens zu verteidigen. Und sich an der Schönheit der Welt zu verzaubern“, mahnt Visconti.

Thiago de Mello, der Poet aus Amazonien, hat sich über die Jahrzehnte den Ruf eines Menschenrechtlers und Kämpfers für die Erhaltung Amazoniens verdient. Und so ziehen sich sowohl politische wie auch ökologische Themen durch die Ausstellung. Aber wie in Mellos Poesie werden sie nicht immer direkt und offensichtlich angesprochen, sondern durch Metaphern, durch Poesie oder Utopien. 

„Als solche bestätigen die Werke ethische und politische, ökologische und soziale Werte. Wobei stets eine Ambivalenz herrscht, sowohl in den Werken selber wie auch in unserer Art, diese zu präsentieren. Da gibt es Freiräume, die Ausstellung auch anders zu verstehen“, erinnert Visconti.

Kunst im Dialog mit der Gesellschaft

Oft wird Kunst in Brasilien als Denk-Oase linker Intellektueller verspottet. Doch der Kurator sieht die Biennale nicht im ideologischen Abseits stehen. Die Biennale habe stets ein größeres und diverseres Publikum angezogen als andere Kulturveranstaltungen. „Wir haben es in unserer DNA, mit einem sehr diversen Publikum zu kommunizieren. Unser Publikum besteht nicht nur aus linken Intellektuellen. Deswegen ist es stets eine große Herausforderung, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, die mit möglichst vielen Schichten der Gesellschaft in einen Dialog eintreten kann.“

Brasiliens Medien haben besonders die hohe Zahl indigener Künstlerinnen und Künstler hervorgehoben. Nie zuvor waren sie so zahlreich auf einer Biennale vertreten. „Und sie und ihre Werke stehen hier Kunstwerken gegenüber, die in anderen Kontexten und Visionen über die Welt erschaffen wurden. Das ist die Übung, der sich die Biennale stellt“, so Visconti.

Dass ausgerechnet in São Paulo die künstlerischen Kosmovisionen aus indigener Hand so prominent vertreten sind, scheint auf den ersten Blick seltsam. Gilt die größte Metropole der südlichen Hemisphäre doch als „Großstadtdschungel aus Asphalt und Beton“, der die Natur immer weiter verdrängt. 

Gegen eine kunstfeindliche Stimmung

„Die Lehre, die Kosmovision der Indigenen ist ja dadurch noch viel notwendiger geworden. Denn wir müssen dringend andere Vorstellungen über unsere Welt lernen und verstehen. Denn so viel wurde hier in São Paulo an Natur vernichtet, durch die angebliche Zivilisation, bleibt ja als wichtige Lektion für uns“, erklärt der Kurator.  

Nicht nur für den Erhalt der Natur, sondern auch für den Erhalt der Kunst will die diesjährige Biennale Zeichen setzen. Denn unter der Bolsonaro-Regierung ist die Kunstförderung eingeschränkt worden. Mehr noch, verbreitet die Regierung doch zunehmend gar eine kunstfeindliche Stimmung. Die geeignete Antwort darauf sei es, künstlerische Netzwerke zu knüpfen, um gemeinsam die Freiheit, die Poesie und die künstlerische Produktion generell zu verteidigen, so Visconti.  

Autor: Thomas Milz

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