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Brasilien |

Bolsonaros Sohn wird zum Risiko für die Regierung

 

Erst waren es "nur" dubiose Geldtransfers, jetzt werden Flávio, Sohn von Brasiliens neuem Präsidenten Bolsonaro, Verbindungen zu Milizen vorgeworfen. Damit verhagelt er seinem Vater den Start in die Präsidentschaft.

Der Präsidentensohn unter Verdacht: Erst ging es "nur" dubiose Geldtransfers, jetzt stehen Milizen-Kontakte im Raum. (Foto: Reuters/S. Moraes)

"Wenn belegt wird, dass Flávio etwas falsch gemacht hat, dann tut mir das als Vater zwar leid. Aber er müsste den Preis dafür zahlen", versicherte Präsident Jair Messias Bolsonaro am Mittwochmorgen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. In den verschneiten Schweizer Bergen wollte der neue Präsident der globalen Wirtschaftselite eigentlich sein "neues Brasilien" vorstellen, transparent und frei von Korruption. Doch die Nachrichten über Verbindungen seines Sohnes zu kriminellen Milizen daheim in Rio holten den brasilianischen Staatschef ein. Am Nachmittag ließ er sogar einen Auftritt vor der Weltpresse platzen. Aus Verärgerung über die ihm angeblich feindlich gesinnten Journalisten, wollen Medien erfahren haben. Offizielle hieß es, der Präsident leide noch immer unter den Folgen der im September erlittenen Messerattacke und müsse ruhen. Oder waren es doch die Kopfschmerzen, die sein Sohn Flávio ihm beschert, der selbst Politiker ist?

Die Affäre um Flávio Bolsonaro schwelt seit Anfang Dezember, als die Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (COAF) ungewöhnliche Transaktionen auf dem Konto seines ehemaligen Chauffeurs und Bodyguards Fabrício José de Queiroz feststellte. Der Verdacht: Queiroz, ein alter Freund des Bolsonaro-Clans, sammelte für Flávio Gehälter von Leuten ein, die zumindest offiziell in dessen Abgeordnetenbüro im Landesparlament von Rio angestellt waren. Eine Form von Schwarzer Kasse, die es in Brasilien nicht selten gibt: "Das ist eine in brasilianischen Parlamenten sehr gängige Praxis, und praktisch alle Parteien machen das", sagt der Politologe Marco Aurélio Nogueira von der Universität São Paulo. Freunde und Bekannte werden, oft bloß zum Schein, angestellt, wofür sie einen Teil ihrer Gehälter an den Politiker abgeben.

Dubiose Verbindung zu Milizen

Zudem entdeckte COAF verdächtige Transaktionen auf Flávios Konto, die dieser mit Immobiliengeschäften rechtfertigte. Doch wie kam er in so kurzer Zeit zu dem Millionenvermögen? Weder Flávio Bolsonaro noch Fabrício José de Queiroz kamen bisher der Aufforderung der Behörden nach, sich zu erklären. Stattdessen rief Flávio Mitte Januar Brasiliens Oberstes Gericht an, die Ermittlungen zu stoppen. Als Senator genieße er Immunität und damit Schutz vor der Justiz. "Das zeigt, wie schwierig die Lage bereits geworden ist", urteilt der Politologe Oliver Stuenkel von der Universität "Fundação Getulio Vargas" in São Paulo. Schließlich hatten Bolsonaro und seine Söhne Flávio (37), Eduardo (34) und Carlos (36) lautstark die Abschaffung eben dieser Immunität für Abgeordnete gefordert, um Korruption in der Politik zu bekämpfen. Auch Dank dieser unnachgiebigen Haltung wurden Vater Jair ins Präsidentenamt, Carlos in Rios Landesparlament, Eduardo ins Abgeordnetenhaus und Flávio in den Senat gewählt. In den sozialen Medien, die ihnen beim Siegen halfen, fordern die eigenen Anhänger nun jedoch erbost eine Erklärung.

Zudem wurde jetzt bekannt, dass Flávio die Ehefrau und die Mutter eines von der Justiz gesuchten Polizisten beschäftigte. Dieser soll Chef der Milizen-Gruppe "Büro des Verbrechens" sein, die in Armenvierteln Schutzgelder eintreibt. Sie steht in Verdacht, im März 2018 an der Ermordung der Bürgerrechtlerin Marielle Franco beteiligt gewesen zu sein. "Die Regierung wurde ja eigentlich gewählt, um genau diese Kräfte zu bekämpfen", erinnert Politologe Stuenkel. Doch Flávio Bolsonaro und Vater Jair verteidigen seit Jahren die Milizen. Diese sorgten immerhin in den Armengebieten für Ordnung und Sicherheit, so Jair Bolsonaro im Jahr 2008. Sogar die Aktionen von Todesschwadronen seien willkommen, solange Brasilien nicht offiziell die Todesstrafe einführe, sagte er 2003 als Abgeordneter im Parlament.

Politik ohne Korruption?

Doch jetzt ist er Präsident und will Brasilien reformieren. Er müsse nun rasch in der Wirtschaftspolitik Erfolge verzeichnen, so Politologe Stuenkel. "Denn wir wissen ja, dass die Brasilianer sich gegen Korruption erheben, wenn die Wirtschaft nicht läuft. Wächst die Wirtschaft jedoch, werden die politischen Kosten so einer Krise geringer." Doch um seine Wirtschaftspolitik umzusetzen, braucht Jair Bolsonaro den Kongress. Und Bolsonaro hatte versprochen, Politik ohne das korrupte Polit-Establishment zu machen. Sein Plan: Eduardo soll im Abgeordnetenhaus und Flávio im Senat für die Agenda des Vaters Druck machen. Doch jetzt droht Flávio wegzubrechen. "Es ist für die Regierung fatal, dass Flávio nun im Senat nicht mehr in der Lage ist, die öffentliche Meinung zu prägen und die Marschroute vorzugeben", so Stuenkel.

Sein Kollege Nogueira glaubt, dass die Presse nun auch Flávios Brüder durchleuchten wird. Der Clan scheint es schließlich in sich zu haben. Im Wahlkampf hatte die Zeitung "Folha de S. Paulo" bereits eine zum Schein in Jair Bolsonaros Abgeordnetenbüro beschäftigte Dame aufgespürt. In Wahrheit kümmerten sie und ihr Mann sich um Bolsonaros Strandhaus. Zudem steht auch die Ehefrau des Präsidenten auf der Liste der Finanzkriminalitätsbekämpfer der COAF. Chauffeur Queiroz hatte ihr über 5000 Euro überwiesen. Nichts weiter als die Rückzahlung eines privaten Darlehens, dass er seinem langjährigen Freund Queiroz einst bewilligte, so der Präsident, ohne irgendwelche Beweise vorzulegen.

Ob der neue Justizminister Sérgio Moro, dem die COAF-Ermittler unterstehen, wohl gegen den eigenen Chef und dessen Familie ermitteln wird, fragt sich Politologe Nogueira. Als Bundesrichter war Moro eiskalt, mächtige Politiker und Unternehmer verurteilte er wegen Korruption, darunter Ex-Präsident Luiz Inácio Lula Da Silva, der deshalb nicht gegen Bolsonaro antreten konnte. "Moro muss nun zeigen, wem seine Treue gilt: der Justiz oder der Regierung", so Nogueira.

Autor: Thomas Milz

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