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Bolsonaro inszeniert seine eigene Telenovela

Inszenieren sich gerne als Traumpaar der brasilianischen Politik: Jair Bolsonaro und Ehefrau Michelle. Foto: Reuters/R. Moraes

Am sechsten Tag ruhte der Messias mit nackten Füßen auf dem Sofa der Präsidentenresidenz Granja do Torto. Neben ihm wachte die treue Familienhündin Beretta. Das Herrchen, mit der Brille auf der Nase und seinem Handy im Anschlag, stöberte derweil wohl in seinen sozialen Netzwerken. Mehrmals am Tag kommuniziert Jair Messias Bolsonaro über seine Netzwerke – oder die seiner drei in der Politik tätigen Söhne. Bei Facebook haben sie 15 Millionen Follower, auf Instagram 16 Millionen. Hier wurde auch obige Sofa-Szene an Bolsonaros erstem Wochenende im Amt veröffentlicht. Bei Twitter lesen 6 Millionen mit. Er habe sich Twitter "extra zugelegt", um über Bolsonaro zu berichten, gesteht Afonso Benites, Journalist von "El País", im Gespräch mit der DW. "Bei dieser Regierung darf man das nicht verpassen." Bereits der erfolgreiche Wahlkampf lief über die Netzwerke. Jetzt auch seine offizielle Kommunikation als Präsident.

Nach Trumps Vorbild

Das ähnelt US-Präsident Donald Trump. Doch der hat es nicht nötig, sein Privatleben via soziale Netzwerke auszubreiten. Das machen seit Jahrzehnten die Medien für ihn. Die Familie Bolsonaro hingegen geht soweit, dass Benites gar von den "tropischen Kardashians" spricht. "Viele Leute sagen, dass sie ihn gewählt haben, weil er eine so einfache Persönlichkeit ist. Ein Mensch wie wir, sagen sie. Das mag zwar simpel erscheinen, aber ist alles sehr gut durchdacht, jeder Schritt kalkuliert", so Benites. Und kommt an. "Ich glaube, dass die Brasilianer die traditionellen, normalen Politiker leid waren." Natürlich ist auch Neugier mit im Spiel. "Wir Brasilianer finden es toll, Einblicke in das Privatleben der Mächtigen zu erlangen. Und wenn es um Politik geht, ist das noch spannender, denn normalerweise bekommt man dort solche Einblicke nie", so der Politologe Marco Aurélio Nogueira gegenüber DW. "Aber Bolsonaro zeigt dank seiner überschäumenden Persönlichkeit einfach alles. Er kennt keine Limits, unterscheidet nicht zwischen Privatem und Öffentlichem. Und sagt, was ihm in den Kopf kommt."

Die perfekte Konstellation

Zudem hat sein Leben die nötigen Zutaten: drei Söhne aus vorherigen Ehen, treu wie Ritter an seiner Seite. Dazu die junge, schöne Ehefrau Michelle, die sich öffentlich schwer verliebt in den betagten Präsidenten-Gemahl zeigt. Und bei dessen Amtseinführung das Protokoll bricht, um eine Rede in Gebärdensprache zu halten. "Eine tolle Besetzung für eine klasse Novela hat man da", urteilt Nogueira. "Da ist der Prinz mit seiner Prinzessin und die drei verrückten Kids, die man stets zur Ordnung rufen muss. Und mit Michelle hat die Regierung ein humanes und großzügiges Antlitz erhalten. Das sind alles Botschaften, die an die Öffentlichkeit gesendet werden." Bolsonaro funktioniere als Influencer so gut, weil er seinen Followern so ähnlich ist: ein durchschnittlicher Mann, so die Journalistin Eliane Brum gegenüber der DW. "Wir alle kennen Menschen wie Bolsonaro in unserem Umfeld", so Brum, "Nachbarn, Freunde und Verwandte - überall gibt es Bolsonaros. Und dank des Internets haben wir diese Person jetzt richtig kennengelernt, ohne jegliche Bremse." Bolsonaro stelle den sich in der modernen Welt machtlos fühlenden, meist weißen und männlichen Menschen dar, der sich vom Feminismus und dem politisch Korrekten seiner Freiheiten beraubt fühlt. Man schaue auf seine Antrittsrede, er wolle "Brasilien vom politisch korrekten Diskurs befreien – das ist eine wichtige Aussage, die erklärt, warum er gewählt wurde. Bolsonaro stellt den in die Ecke gedrückten Brasilianer dar", resümiert Brum. Der sich wehren und befreien will.

Karikatur des Alpha-Männchens

In den sozialen Netzwerken präsentieren sich die Bolsonaros als verschworene Männergemeinschaft, denen Anstand und Etikette egal ist, die mit Waffen am Schießstand stehen und sich wie Comic-Superhelden inszenieren. Gleichzeitig aber auch zuhause am Frühstückstisch voller Kaffeeflecken und Brotkrümeln hochrangige Abgesandte aus aller Welt empfangen. Sie inszenieren ihren Alltag als subversives Rebellentum, live übertragen in den sozialen Netzwerken. Und so skandierte die Menge bei seiner Amtseinführung neben dem bekannten "Mito, mito" (Mythos, Mythos) auch "WhatsApp! Facebook!". Man müsse verstehen, dass Bolsonaro auf das Internet setze, schließlich habe er weder großen Rückhalt in der organisierten Zivilgesellschaft noch bei den traditionellen Medien, erklärt der Politologe Ricardo Ismael im Gespräch mit der DW. "Eine Präsidentschaftswahl in Brasilien mit derart wenig Geld zu gewinnen war eine phänomenale Leistung. Genau wie die freiwillige Unterstützung, die er dabei in den sozialen Netzwerken erfuhr. Das war außergewöhnlich."

Rivale von TV-Globo

Nun schreibe Bolsonaro an der Fortsetzung, dem Drehbuch seiner Präsidentschaft. "Das Skript dieser Telenovela stammt von ihm, ist ungewöhnlich, oft auch ein wenig schräg. Wie wenn er Brot mit gezuckerter Kondensmilch isst. Aber das Volk mag das, denn das ist originell", sagt Ismael. Besonders Bolsonaros Beziehung zu Ehefrau Michelle komme gut an. "Sie ist keine Intellektuelle, aber viele Frauen identifizieren sich mit ihr. Und sie bringt damit die Feministinnen zur Weißglut", so Ismael. Zudem zeige sich Bolsonaro nicht unterwürfig gegenüber den traditionellen Medien wie dem Marktführer TV Globo. "Das ist keine Telenovela von Globo, sondern eine Telenovela von Bolsonaro. Und nicht Globo bestimmt, was Bolsonaro tun soll. Sondern Bolsonaro bestimmt, worüber Globo berichten darf", so Ismael.

Quelle: Deutsche Welle, Autor: Thomas Milz

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