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Bolivien: Zehn Jahre Haft für Ex-Interimspräsidentin Jeanine Áñez

Bolivien stehen erneut turbulente Wochen bevor: Die ehemalige konservative Interimspräsidentin Jeanine Áñez muss wegen eines angeblichen Putschversuchs für zehn Jahre in Haft - die Opposition hat Proteste angekündigt.

Die ehemalige bolivianische Staatspräsidentin Jeanine Áñez am 3. Januar 2020 bei einer Ansprache vor dem Verfassungsgericht in Sucre. Damals forderte sie, dass das Gericht unabhängig von politischen Interessen bleiben müsse. Foto: Presidenta Áñez, Asamblea Legislativa Plurinacional, CC BY 4.0

Die ehemalige bolivianische Staatspräsidentin Jeanine Áñez am 3. Januar 2020 bei einer Ansprache vor dem Verfassungsgericht in Sucre. Damals forderte sie, dass das Gericht unabhängig von politischen Interessen bleiben müsse. Foto: Presidenta ÁñezAsamblea Legislativa PlurinacionalCC BY 4.0

Im seit über Jahren andauernden Konflikt um die Präsidentschaftswahlen 2019 wühlt ein hartes Urteil gegen die ehemalige konservative Interimspräsidentin Jeanine Áñez die Emotionen in Bolivien erneut auf. Die Opposition kündigte für die kommende Woche Proteste in dem südamerikanischen Land an. "Wir werden Mobilisierungen starten", erklärte Manuel Morales vom Nationalen Komitee für die Verteidigung der Demokratie (Conade) laut Tageszeitung "El Deber" am Wochenende.

Áñez will in Berufung gehen

Am Freitagabend war Áñez wegen Beteiligung an einem Staatsstreich zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der sozialistische Ex-Präsident Evo Morales begrüßte das Urteil als angemessene Strafe für den Schaden, den Áñez der Demokratie zugefügt habe. Dagegen erklärte Regierungssprecher Jorge Richter, in Berufung gehen zu wollen. Er forderte 15 Jahre Haft für Áñez. Auch die Familie der Politikerin kündigte Berufung an.

Menschenrechtsorganisationen hatten zuvor die Justiz zur Unabhängigkeit ermahnt. Ähnlich äußerte sich einen Tag vor der Urteilsverkündung die katholische Kirche und forderte ein "objektives Urteil". Erzbischof Ricardo Centellas, Vizepräsident der Bolivianischen Bischofskonferenz, sagte, er hoffe, dass die Bolivianer ein unparteiisches Agieren der Justiz sehen würden.

Putsch oder erzwungener Rücktritt?

Bolivien wurde nach der Präsidentschaftswahl im Oktober 2019 von Unruhen erschüttert. Schon die erneute Kandidatur des damaligen Präsidenten Evo Morales war hoch umstritten. Morales brach nach der Niederlage sein Wort, das Ergebnis zu respektieren und setzte seine Kandidatur gegen das Wählervotum auf juristischem Weg durch. Inzwischen räumt er ein, dass seine Kandidatur ein Fehler gewesen sei. Nach den Wahlen warf die Opposition dem seit 2006 regierenden sozialistischen Präsidenten Betrug vor, Hunderttausende gingen auf die Straße. Morales bestand zunächst auf einem Sieg im ersten Durchgang.

Eine Kommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sprach in einem Abschlussbericht von schwerwiegenden Manipulationsversuchen und empfahl Neuwahlen, auch bolivianische Informatiker kamen zu diesem Schluss. Morales weist Anschuldigungen, er habe die Abstimmung  manipuliert, zurück und spricht stattdessen von einem Putschversuch. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA kam später in einer statistischen Analyse zu dem Schluss, dass Morales die Wahlen mit "hoher Wahrscheinlichkeit" ohne Wahlbetrug gewonnen habe. Morales trat auf Druck aus Reihen regierungsnaher Gewerkschaften, der Ombudsstelle des bolivianischen Volkes, der Armee und der Polizei zurück, ging zunächst nach Mexiko und später nach Argentinien ins Exil. Inzwischen ist er wieder in Bolivien und nimmt innerhalb der sozialistischen Regierungspartei führende Funktionen wahr. Zuletzt kritisierte er auch Kabinettsmitglieder des amtierenden Präsidenten und Parteigenossen Luis Arce scharf.

Kontroverse um Verantwortung für Gewalt

Áñez übernahm nach dem Rücktritt von Morales nach den Wahlen 2019 das Amt der Interimspräsidentin und organisierte inmitten der Corona-Pandemie Neuwahlen, die die Morales-Partei MAS mit dem Spitzenkandidaten Luis Arce gewann. Áñez wird von den Wahlsiegern vorgeworfen, für das gewaltsame Vorgehen von Sicherheitskräften bei Protesten verantwortlich gewesen zu sein, bei denen Menschen starben. Zudem sei sie zu Unrecht an die Interims-Präsidentschaft gelangt. Die Opposition macht dagegen Morales für gewalttätige Ausschreitungen mitverantwortlich und fordert, auch er müsse vor Gericht gestellt werden. Áñez befindet sich seit über einem Jahr in Untersuchungshaft.

Im vergangenen Jahr hatte die katholische Kirche eine eigene Dokumentation über die Ereignisse von 2019 veröffentlicht: Darin hieß es, dass die damalige Oppositionspolitikerin Áñez nicht - wie von der inzwischen wieder regierenden sozialistischen Partei MAS behauptet - verfassungswidrig ins Amt gekommen sei, sondern mit deren Unterstützung. Áñez erklärte nach ihrer Verhaftung, ihr werde ein Putschversuch vorgeworfen, den es nie gegeben habe.

Quelle: kna, blickpunkt-lateinamerika; Autor: Tobias Käufer

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