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Bolivien: Angst vor Ausschreitungen vor der Wahl

Rechte Regierung und Anhänger von Ex-Präsident Evo Morales drohen sich gegenseitig, die Stimmung ist aufgeheizt. Den Umfragen zufolge liegt der Kandidat der sozialistischen MAS-Partei Luis Arce vorn, doch bei einer Stichwahl könnte auch das rechte Lager gewinnen. 

La Paz, Kundgebung, Bolivien

Anhänger von Ex-Präsident Evo Morales bei einer Kundgebung in La Paz. Foto (Archivbild 2018): Adveniat/Martin Steffen

Ein paar Wortgefechte hier, ein paar Scharmützel dort, diverse Prügeleien, Drohungen und Besetzungen von Wahlratsbüros. In Bolivien wird in gut einer Woche ein neuer Präsident gewählt, und die Stimmung in diesen Tagen lässt für einen friedlichen und freien Verlauf der Abstimmung in dem Andenstaat am 18. Oktober nichts Gutes erahnen. Vor allem die Regierung der rechten Präsidentin Jeanine Áñez und die Partei von Ex-Präsident Evo Morales, „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS), überziehen sich gegenseitig mit Drohungen und Beschuldigungen. In den vergangenen Tagen haben internationale Beobachter rund 30 Zusammenstöße zwischen Anhängern der konträren Lager gezählt. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Die „Troika“ aus Europäischer Union, Vereinten Nationen und der Katholischen Kirche, die zwischen den nationalen Konfliktparteien vermitteln soll, ist besorgt. „Der Dialog sollte das vorherrschende Instrument sein, um die Konflikte und die politische Polarisierung zu überwinden“, hieß es in einer Erklärung der „Troika“. 

MAS-Kandidat Luis Arce bleibt Favorit

Allerdings scheinen diese Worte ungehört zu verhallen. Die aggressive Stimmung zwischen den politischen Kontrahenten steigt jeden Tag, und beide Seiten werfen der jeweils anderen vor, das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentenwahl fälschen zu wollen. Favorit bleibt nach einer jüngsten Umfrage Luis Arce, der Kandidat der MAS, der auf eine vorsichtige Distanz zu Morales gegangen ist. Der Ex-Präsident, der nach einer von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl vor einem Jahr und anschließenden landesweiten Protesten das Land verließ, zieht aus dem Exil in Argentinien weiter die Strippen seiner Partei. 

Stichwahl könnte Chancen für Carlos Mesa erhöhen

Für Arce wollen demnach 41,2 Prozent der Wahlberechtigten stimmen, für den konservativen Gegenkandidaten Carlos Mesa 33,5 Prozent. Ein Wahlsieg in erster Runde wird nach bolivianischem Recht dann erzielt, wenn der Erstplatzierte auf mindestens 40 Prozent der Stimmen kommt und dabei zehn Prozent vor seinem nächsten Verfolger liegt. Noch vor zwei Wochen sahen die Umfragen für den ehemaligen MAS-Wirtschaftsminister Arce beide Kriterien als erfüllt an. Aber dann zog die ungeliebte Übergangspräsidentin Áñez ihre Kandidatur zurück, damit das rechte Lager nicht allzu gespalten in die Wahl geht. Denn neben Mesa kandidiert vor allem noch der Ultrarechte Luis Fernando Camacho aus Santa Cruz im Tiefland. Bei einer eventuellen Stichwahl Ende November hätte das vereinte rechte Lager durchaus Siegeschancen gegen den MAS-Bewerber Arce. 

Gegenseitige Drohungen im Vorfeld

Während dieser die Regierung warnt, die MAS werde bei einem Betrugsversuch der Rechten das Volk auf die Straße bringen, droht die Regierung mit dem Einsatz der Sicherheitskräfte, sollte die „MAS den demokratischen Willen“ der Bevölkerung nicht respektieren. Unterdessen ermittelt die Justiz gegen den früheren Minister Arce, der von 2006 an zunächst Finanz- und später Finanz- und Wirtschaftsminister war, wegen des Vorwurfs der „Bereicherung im Amt“. Arce war Morales, als dessen Vertrauter er galt, im vergangenen Jahr zunächst nach Mexiko gefolgt, der ersten Exil-Station von Morales. 
 
Die rechte Regierung um Übergangspräsidentin Áñez hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie die MAS gerne dauerhaft von der Macht in Bolivien fernhalten will. Dass sie dabei auch auf undemokratische Mittel oder einen juristischen Ausschluss noch vor Sonntag baut, bestreiten politische Beobachter nicht.

Ein politisch gespaltenes Land

Morales und seine breite Bewegung MAS aus linken und indigenen Kräften stand von 2006 bis 2019 an der Spitze des Andenstaates. In dieser Zeit erlebte Bolivien einen Wirtschaftsboom, und es gelang der Regierung, die Armut zu reduzieren. Allerdings wandelte sich Morales in dieser Zeit immer weiter zu einem autoritären Herrscher, der nicht von der Macht lassen konnte und das Recht solange beugte, bis er im Oktober 2019 noch einmal zur Wahl antreten konnte. Nach Protesten gegen das Wahlergebnis, das Morales wieder als Sieger in der ersten Runde sah, glitt das Land in bürgerkriegsähnliche Zustände ab.

Autor: Klaus Ehringfeld

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