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Nicaragua |

Bischof von Matagalpa: "Die Ungerechtigkeiten benennen"

Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa in Nicaragua, erlebt Hetze und Angriffe auf die Kirche und ihr Personal. Trotzdem will er nicht schweigen. Die demokratische Zukunft des Landes sei ungewiss, sagt er mit Blick auf die anstehende Wahl, die quasi ohne Opposition stattfindet.

Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa, will sich nicht den Mund verbieten lassen. Foto: Klaus Ehringfeld

Rolando Álvarez, Bischof von Matagalpa in Nicaragua, will sich nicht den Mund verbieten lassen. Die Kirche müsse die Ungerechtigkeiten benennen. Foto: Klaus Ehringfeld

Es ist der Sonntag eine Woche vor der Präsidentenwahl in Nicaragua. In der schneeweißen Kathedrale von Matagalpa im Norden des Landes feiert Bischof Rolando Álvarez Gottesdienst. 200 Gläubige verlieren sich in dem großen Gotteshaus. Wäre nicht Pandemie, wäre die Kirche mit 1.500 Menschen gefüllt. Rund zwanzig Minuten nach Beginn des Gottesdienstes schreit plötzlich ein Mann draußen vor dem Haupteingang Beleidigungen gegen den Bischof und behauptet: „Er will Krieg für unser Land.“ Junge Männer der Gemeinde reagieren sofort und hindern den Mann am Betreten der Kathedrale. Augenzeugen sagen später, der Angreifer habe einen gefüllten Benzinkanister in der Hand getragen. Die Szene ist in gewisser Weise typisch für die Lage der Katholischen Kirche in dem zentralamerikanischen Land. Die Regierung und ihre Anhänger haben sie zu Staatsfeinden erklärt. Ein Gespräch darüber und über die Aufgabe der Kirche in Nicaragua:

Blickpunkt Lateinamerika: Monseñor Álvarez, Sie sind eine der wenigen verbliebenen Stimmen im Land, die sich traut, die Regierung direkt und offen zu kritisieren. Wie geht es Ihnen damit?

Bischof Rolando Álvarez: Natürlich folgen wir in erster Linie unserer pastoralen Mission, verbreiten die Lehre der Propheten und versuchen, Hoffnung zu geben. Aber natürlich muss ich auch die Ungerechtigkeiten im Land benennen und ansprechen. Wir haben als Pastoren ja die Pflicht, das Gewissen und das Bewusstsein der Gläubigen zu formen und ihnen Kriterien an die Hand zu geben. Und die Nicaraguaner mögen arm sein, aber sie verstehen, was der Pastor sagen will. 

Aber schon subtile Botschaften in einer Predigt können in Nicaragua gefährlich sein.

Es hat immer wieder Attacken gegeben, manche sind verdeckt und andere direkt, geradezu dreist. Wir werden öffentlich als Heuchler, Terroristen und Umstürzler bezeichnet. Die Angriffe kommen dabei entweder direkt von öffentlichen Stellen oder aus den sozialen Netzwerken von Fanatikern. Aber unsere Pastoren in den Gemeinden sind härter getroffen und dauernd Einschüchterungsversuchen von Regierungsstellen ausgesetzt, damit sie nicht sprechen, damit sie nichts sagen.

Werden Sie persönlich direkt bedroht ? 

In aller Deutlichkeit: Nein. Auf mein Telefon habe ich nie eine direkte Drohung bekommen. Aber es gibt Todesdrohungen in den sozialen Netzwerken. Sie sind eine Reaktion auf den Diskurs der Regierung, der gegen die Kirche hetzt - irgendwann kann das dazu führen, dass wir auch körperlich angegriffen werden.  

Heute gab es während des Gottesdienstes eine Störung und einen verbalen Angriff gegen Sie vor der Tür der Kathedrale. Ein Mann hatte einen Benzinkanister in der Hand, wie Augenzeugen sagen. Kommt so etwas öfters vor?  

Ach, das sind wir schon gewohnt. Vor der Kathedrale haben wir schon mal die Polizei gehabt, Paramilitärs oder auch die Sondereinheiten zur Aufstandsbekämpfung. Wir hatten und haben hier alle Arten von Einschüchterungen. 

Das präsidiale Herrscherpaar pflegt einen semi-religiösen Diskurs und spricht dabei immer von Liebe und Frieden. Wie verträgt sich das mit dem, was Sie erleben? 

Es ist ein doppelzüngiger Diskurs. Auf der einen Seite rufen sie zu Frieden und Liebe auf, aber dann wettern sie gegen alles und jeden, der gegen sie ist. Sie attackieren die Kirche, die Bischöfe und alle, in denen sie Feinde und Hindernisse sehen. Diesen Widerspruch versteht das Volk sehr gut. Die Menschen wissen, woher das kommt. Sie gehen dem Diskurs nicht auf den Leim. 

Welche Rolle kann die Kirche in Nicaragua einnehmen? Können Sie einen Dialog vermitteln? 

Wir haben nie aufgehört, Versöhnung zu predigen und anzubieten, aber man verlangt von uns einen spirituellen Diskurs, ohne die Lehre des Propheten. Aber das wäre eine stumme Kirche. Das wollen wir nicht, das ist nicht Christus‘ Kirche.

Sehen Sie überhaupt Platz für eine Aussöhnung in Nicaragua? 

Die Machthaber reden ja jetzt schon von einem Dialog, als wäre die Abstimmung bereits vorbei. Das heißt, sie gehen davon aus, dass sie diese Wahlen schon jetzt gewonnen haben. Und sie wollen den Dialog selbst organisieren, so wie es ihnen am besten in die Karten spielt. Zum ersten Dialog 2018 waren wir als Kirche ja eingeladen, aber dann haben sie uns Putschisten und Terroristen genannt. Dann sollten sie uns auch jetzt nicht einladen. Ich glaube auch nicht, dass wir gebeten würden teilzunehmen.

Ich war 2018 während des Aufstands hier, aber jetzt sehe ich ein Nicaragua, das wie abgeschaltet wirkt. Niemand protestiert, nirgends ist Wahlwerbung zu sehen, das Land wirkt beinahe apathisch. Teilen Sie diese Vision?

Ja, wir sehen eine völlige Verödung. Aber das wundert nicht, bei so vielen politischen Gefangenen, Zwangsexilierten, Geflüchteten und Migranten. Alle dissonanten Stimmen werden mundtot gemacht. Hier ist überhaupt keine Vorfreude auf die Wahl zu spüren. Die demokratische Zukunft Nicaraguas ist völlig ungewiss. Zudem kämpfen die Menschen mit Hunger, Krankheit und Arbeitslosigkeit. Es geht ums tägliche Überleben. Das ist die Realität für unser Volk. 

Wie kann das deutsche Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat Ihre Arbeit unterstützen, Monseñor?

Adveniat sollte vor allem weiter die Projekte fördern, welche die Demokratiebildung und Friedenserziehung zum Ziel haben. Alle Projekte, die die Förderung eines sozialen Gewissens zum Gegenstand haben, denn das wird benötigt, um Menschenrechtsverletzungen zu erkennen. 

Pressemitteilung: Lateinamerika: Adveniat fordert richtige Weichenstellungen im Superwahlmonat November

Interview: Klaus Ehringfeld

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