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"Augen zu und durch" - Lateinamerika und Omikron

In ganz Lateinamerika steigen die Zahlen der mit Covid-19 Infizierten rapide an und erreichen Rekordwerte seit Beginn der Pandemie. Die Reaktionen der Staatschefs darauf sind unterschiedlich. In Mexiko und Brasilien, Länder mit sehr hohen Zahlen, fällt die Reaktion der Regierungen eher lax aus – mit Folgen. Peru, Ecuador und Kolumbien verhängen wieder strengere Regeln.

In ganz Lateinamerika steigen die Zahlen der Corona-Infizierten rasant an. Foto: Kopp/Adveniat

An Bord der Sunwing auf dem Weg von Montreal nach Cancún Ende Dezember ging es zu wie auf dem Oktoberfest: Tanzende und grölende junge Kanadier feierten ohne Mundschutz frenetisch ihren Flug in die Sonne und in die vermeintliche Freiheit von Corona-Restriktionen. Eine Flasche Wodka machte die Runde; die Warnungen der Crew nahm keiner der Influencer ernst. Stattdessen posteten sie Videos von ihrer Party auf sozialen Netzwerken.
 
Es kam wie es kommen musste: Keine Airline wollte die jungen Leute zurückbefördern, viele wurden danach positiv auf Covid-19 getestet. Mexiko, das bei der Einreise weder einen negativen PCR-Test noch einen Impfnachweis verlangt, ist seit Beginn der Pandemie zu einem beliebten Ferienziel derjenigen geworden, die der Pandemie entfliehen wollen. Damit will die Regierung die angeschlagene Tourismusbranche unterstützen. Bislang schien die Rechnung aufzugehen. Doch nun mit Omikron schießen die Infektionszahlen durch die Decke. Fast täglich werden neue Rekorde gemeldet. 

Motto: Abwarten und hoffen

Mexiko ist nicht alleine. Von Uruguay bis Kuba steigen im Januar die Zahlen rapide an und erreichen Rekordwerte seit Beginn der Covid-19-Pandemie. Erkrankten Anfang Dezember im Schnitt noch 20.000 Menschen täglich in Lateinamerika, waren es einen Monat später 200.000 – die Hälfte davon in Argentinien. Auch Länder mit hohen Impfquoten wie Chile und die Dominikanische Republik sind davon nicht ausgenommen. Spezialisten gehen davon aus, dass bis Ende März oder Anfang April 50 Prozent der Bevölkerung mit Omikron infiziert wird. "Was in Europa passiert, wird sich mit sechs bis acht Wochen Verzögerung in Lateinamerika wiederholen", so der paraguayische Virologe Tomás Mateo Balmelli. 
 
Dennoch fällt die Reaktion der Regierungen in der Region eher lax aus. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der das Virus von Anfang an verharmloste und auf eine Herdenimmunität setzte, erklärte gar, Omikron sei willkommen. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador infizierte sich vorige Woche bereits zum zweiten Mal und musste in Quarantäne. Der Bevölkerung erklärte er per Videobotschaft aber, das Ganze sei wie eine Grippe und wenn man die empfohlenen Maßnahmen beachte, wie Masketragen, Hände desinfizieren und Abstand einhalten, sei das völlig ausreichend. Beide Länder zahlten bislang einen hohen Preis: Brasilien verzeichnet 620.000 Covid-Tote, Mexiko über 300.000.

Dennoch scheint das Kalkül der beiden Staatschef nun zu lauten: "Augen zu und durch". Sie setzen vor allem auf die hohe Impfrate der Region, wo mittlerweile 62 Prozent immunisiert wurden. Bei den über 60-Jährigen sind es vielerorts schon gut 90 Prozent. Lateinamerika hat zudem eine im Schnitt deutlich jüngere Bevölkerung als Europa. Junge Leute erkranken erfahrungsgemäß weniger stark an Covid-19 und benötigen seltener Krankenhausbetreuung. Auch die Zahl der Impfgegner und -skeptiker ist in Lateinamerika sehr gering und betrifft hauptsächlich ländliche und indigene Regionen, in denen das Ansteckungsrisiko aufgrund der geringeren Mobilität nicht so hoch ist.

Popularität eingebüßt

Zum Vertrauen in die Impfung mischt sich Sorge der Politiker um die kränkelnden Volkswirtschaften der beiden Länder, die nach der Rezession der vergangenen Jahre gerade erst wieder Fahrt aufnehmen. Die Inflation verteuert Lebensmittel, die Staatshaushalte leiden unter Steuerausfällen, die Spielräume für Überbrückungshilfen wie noch zu Anfang der Pandemie sind enger geworden. Die Armutsrate ist angestiegen – in Brasilien um 33 Prozent in drei Jahren, in Mexiko um 10 Prozent. All das schlägt sich negativ auf die Popularitätsraten nieder: Bolsonaro kann derzeit nur noch auf 22 Prozent Unterstützung zählen, López Obrador immerhin noch auf 58 Prozent, allerdings mit fallender Tendenz.
 
Beide überlassen die Pandemibekämpfung daher lieber den Politikern auf regionaler und lokaler Ebene. In Brasilien strich die Stadtverwaltung von Rio de Janeiro angesichts von Omikron bereits zum zweiten Mal in Folge den Straßenkarneval. In Mexiko beschlossen die Gouverneure mehrerer Bundesstaaten einen verpflichtenden Impfnachweis zum Einlass in Restaurants und Diskotheken. 

Andere Länder, strengere Regeln

Aber es gibt auch Länder, die wegen Omikron wieder strengere Regeln erlassen. Peru hat eine nächtliche Ausganggsperre verhängt und die Landesgrenzen geschlossen, hält aber den Flughafen geöffnet. Ecuador hat als bisher einziges Land der Region die Impfpflicht eingeführt. Chile, das bislang vor allem chinesische Impfstoffe nutzte, ist bereits beim zweiten Boostern, auch Paraguay, Costa Rica und Kolumbien verhängten wieder striktere Regeln zur Einreise oder für öffentliche Veranstaltungen.
 
Den Ärzten ist das freilich zu wenig: "Omikron ist viel intensiver und ansteckender als die anderen Varianten und betrifft auch die Geimpften, die sich fälschlicherweise in Sicherheit wiegen", sagte Balmelli. "Die Kapazität in den Krankenhäusern wurde nicht aufgestockt, und es kann schnell passieren, dass sie wieder überlaufen sind und die Todeszahlen wieder in die Höhe schnellen." Nicht nur das: Mexiko erlebte gerade auch die wirtschaftliche Kehrseite der laxen Gesundheitsmassnahmen. Weil viele Piloten und Bordpersonal positiv getestet wurden, musste Aeromexico zwischen den Jahren mangels Arbeitskräften hunderte von geplanten Flügen streichen – ein herber wirtschaftlicher Verlust.

Autorin: Sandra Weiss

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