Apartheid im Studio - Platz da, wir retten Haiti!
Keine Frage, die Apartheid war ein Verbrechen und zu verdammen. Das hat das deutsche Fernsehen auch getan. Vorbildlich-stilprägend bleibt die Rassentrennung dennoch: für „Erste“. Bei Anne Will (diesmal als Show der guten Taten) war es am Sonntag wie im „guten“ alten Südafrika: Im Mittelpunkt und unter sich fünf Weiße, die beiden Haitianer im Abseits. Es ist eine Unverschämtheit: In neun Jahren als Adveniat-Länderreferent begegneten mir die feinfühligen Haitianer stets mit vollendeter Gastlichkeit. Hierzulande geht es anders zu. Auf der Bank, pardon: dem Sofa (wir sind schließlich besser als Südafrika) für die Schwarzen durften die Haitianer ihre - tief bewegenden - Geschichten vortragen. Dann hatten sie still zu sein. Denn jetzt sind die Weißen an der Reihe. Christiansen-Beckmann-Kronzucker lassen alle wissen, wie toll sie sind: Platz da! Wir retten Haiti!
Ein Vertreter von Misereor erinnerte daran, dass es tatsächlich die Haitianer sind, die jetzt handeln und die ihr Land wieder aufbauen werden. Das war bitter nötig. Denn die in Haiti eingefallenen Kameraleute zeigen gern ihresgleichen: weiße Helfer. Auch die Apartheid der Fernsehbilder funktioniert, die Farbwahl für Helfer und Opfer. Dass in der vergangenen Woche die Haitianer selbst die erste, zweite und dritte Hilfe leisteten, von Nachbar zu Nachbar, war im Fernsehen nicht zu erkennen. Wohlverstanden: Hilfe von außen und Spenden sind nötig - aber bitte ohne große Klappe. Unter Anne Wills Wichtigtuern blieben der Fachmann von Misereor und die beiden Haitianer sehr einsam.
Michael Huhn