Antigua: Historiker forschen nach Identität ehemaliger Sklaven
Die historische Werft Nelson's Dockyard auf der Karibik-Insel Antigua ist UNESCO-Weltkulturerbe und eine beliebte Touristenattraktion. Weniger bekannt ist, dass zu Zeiten der Kolonisierung hier tausende Sklaven arbeiteten, die aus Afrika nach Antigua verschifft wurden. Bis 1981 gehörte Antigua noch zum Kolonialreich Großbritanniens.
Historiker, die sich durch Dokumente im Nationalarchiv in London arbeiteten, konnten 700 Namen versklavter Afrikaner rekonstruieren, zum Beispiel den eines Zimmermanns: Polydore, Nachname unbekannt, damals 47 Jahre alt, wird in einem Register versklavter Afrikaner aus dem Jahr 1785 als guter Handwerker bezeichnet und als Eigentum von König Georg III. Nelson's Dockyard war ein wichtiger Hafen für die britische Marine. Mit Kriegsschiffen sicherten die Kolonialherren ihr Hoheitsgebiet in der Karibik, wo vor allem Zucker für den Markt in Europa produziert wurde.
Ahnenforschung wird möglich
Die Suche nach Identität und Herkunft der ehemaligen Sklavenarbeiter ist eine Initiative von Historikern aus Antigua. Sie haben sich die Aufgabe gestellt, Menschen, deren Geschichten aus dem historischen Gedächtnis gelöscht wurden, einen Namen zu geben. Dank dieser bahnbrechenden Arbeit lässt sich Ahnenforschung betreiben. Viele der heutigen knapp 100.000 Inselbewohner haben Nachnamen wie James, Henry oder Gardner, ihre Vorfahren waren aber Afrikaner. Perspektivisch soll eine interaktive Website entstehen, auf der jeder Einwohner selbst forschen kann.
Desley Gardner, eine der an dem Projekt beteiligten Forscherinnen, nennt es ein Anliegen, jene Menschen zu würdigen, die eine so wichtige Rolle bei der Entwicklung von Antigua gespielt hätten. Ihre Bedeutung für Geschichte und Erbe der Insel gelte es anzuerkennen. Die ursprünglich afrikanischen Namen seien jedoch nicht rekonstruierbar, lediglich die Namen, die die Herren ihren Sklaven für die Aufzeichnungen gaben, erklärt Christopher Water, Projektleiter für die National Parks Authority.
Sklaven für den Zuckerrohranbau
Im 18. Jahrhundert arbeiteten die meisten Sklaven auf den karibischen Inseln im Zuckerrohranbau. Millionen versklavter Afrikaner starben nicht nur aufgrund der schweren körperlichen Arbeit und schlechter Lebensbedingungen, viele überlebten nicht einmal die Überfahrt in die Karibik. Sie verloren neben ihrer Menschenwürde auch ihre Namen und Identitäten. Um 1750 löste Zucker Getreide als wertvollstes Gut im europäischen Handel ab. Auf Zucker entfiel ein Fünftel aller Importe nach Europa. Die Sklaverei endete offiziell in der britischen Karibik 1834. Auf vielen Inseln wird die Befreiung heute in Form karnevalistischer Umzüge gefeiert.