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Analyse: Die Zukunft des MERCOSUR

In alter Besetzung: Tagung des MERCOSUR im Dezember 2014. Foto: Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0 (Zuschnitt).
In alter Besetzung: Tagung des MERCOSUR im Dezember 2014. Foto: Cancillería del Ecuador, CC BY-SA 2.0 (Zuschnitt).

Der Mercado Común del Sur "MERCOSUR" feiert dieses Jahr sein 25–jähriges Bestehen. Nach einem relativ erfolgreichen Jahrzehnt regionaler Integration, ist der Handelsblock aktuell in einer schwierigen Lage. Die politische und wirtschaftliche Situation in den Mitgliedsstaaten ist instabil und die Handelsunion scheint angesichts der derzeit verhandelten Freihandelsabkommen wie TPP und TTIP unfähig, sich den neuen Realitäten der Weltwirtschaft anzupassen.

Der derzeitige Zustand von MERCOSUR lässt große Zweifel über dessen Zukunft aufkommen. Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung des Handelsblocks, den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der EU und internen Reformbestrebungen, besteht dennoch Hoffnung, dass die wirtschaftliche Integration in Südamerika neuen Schwung bekommt.

Die Entwicklung des MERCOSUR: Höhen und Tiefen

Die Demokratisierungsbewegung in Südamerika Ende der 80er Jahre und der Erfolg der europäischen Integration während der 90er Jahre waren ausschlaggebend dafür, dass regionale Integration in Südamerika zu einer erstrebenswerten, politischen Alternative für die beiden Großmächte Brasilien und Argentinien wurde. Ein Zusammenschluss auf südamerikanischer Ebene sollte die Kooperation zwischen den beiden Nachbarländern fördern und Spannungen zwischen ihnen abbauen.

Am 26. März 1991 unterzeichneten die Präsidenten Uruguays, Brasiliens, Argentiniens und Paraguays den Vertrag von Asunción, durch den MERCOSUR gegründet (…) und (...) der Weg für eine umfassende Zollunion zwischen diesen Staaten geebnet wurde.

Erste Phase

Die regionale Vereinigung wurde zu Beginn als großer Erfolg wahrgenommen, da die zunehmende Kooperation und der wachsende Handel zu einem starken Wirtschaftswachstum der verschiedenen Mitgliedsstaaten führte. Dieser Erfolg währte jedoch nur kurze Zeit. Ende der 90er Jahre führten Handelsstreitigkeiten zwischen Argentinien und Brasilien zur (...) Einführung einer Reihe von Handelsbarrieren wie zum Beispiel Einfuhr- und Ausfuhrquoten sowie den sogenannten Ausnahmelisten.

Anfang des neuen Jahrtausends befand sich Argentinien aufgrund geringer Exporte und einer großen Staatsverschuldung in tiefer Rezession, die bis ins Jahr 2003 andauerte. Diese Umstände führten dazu, dass sich die Beziehungen zwischen Argentinien und Brasilien sowie die Beziehungen zwischen den anderen MERCOSUR Staaten zunehmend verschlechterten.

Zweite Phase und aktueller Stand

Die gemeinhin als "Linksruck" Lateinamerikas bezeichneten politischen Veränderungen läuteten dann jedoch eine zweite Entwicklungsphase für das Handelsbündnis ein. Der Wahlsieg der Arbeiterpartei PT in Brasilien, der Beginn der Kirchner-Ära in Argentinien, steigende Rohstoffpreise und die geschlossene Ablehnungshaltung gegenüber den in Washington basierten internationalen Finanzinstitutionen wie IWF und Weltbank initiierten diese neue Phase des MERCOSUR. Die Aufnahme Venezuelas im Jahr 2012 war bezeichnend für die stets schlechter werdenden Beziehungen zwischen dem MERCOSUR und den USA. In dieser Zeit wurde der MERCOSUR zunehmend von den Regierungen der Mitgliedsstaaten als ideologisches und politisches Instrument benutzt.

Momentan befindet sich der MERCOSUR in einer dritten Phase (…): Am Scheideweg zwischen Integration und zunehmender Auflösung.

Welche Lehren können aus der Vergangenheit gezogen werden?

Um die Zukunftsaussichten des MERCOSURs zu analysieren, ist es wichtig einen Blick in die Vergangenheit der Wirtschaftsunion zu werfen. Im Vergleich zur Europäischen Union fehlt dem MERCOSUR eine übernationale Struktur. Viele der Mitgliedsstaaten sind nicht bereit Teile ihrer nationalen Souveränität aufzugeben. Außerdem haben die Mitgliedsländer sehr unterschiedliche Positionen in Bezug auf Handelsbarrieren und schützende Maßnahmen für ihre Industrien. Obwohl zahlreiche Gesetze in den ersten Jahrzehnten des Bestehens (...) verabschiedet wurden, wurden die wenigsten davon auf nationaler Ebene umgesetzt - insbesondere aufgrund unklarer Zuständigkeiten und juristischer Unsicherheiten.

Derzeit gibt es interne Reformbestrebungen. Die vorgestellten Vorschläge stehen jedoch unter strengster Geheimhaltung und das öffentliche Interesse an den Reformvorschlägen ist nicht sehr groß. Außerdem bestehen bei Ministerien, nationalen Parlamenten sowie Politikern große Unklarheiten über die Zuständigkeit für die Verabschiedung und Verfassung von neuen Gesetzen.

Der MERCOSUR und die Weltwirtschaft

Die Beziehung zu anderen Ländern wird einen großen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des MERCOSUR haben. Die USA verhandeln derzeit zwei der größten Freihandelsabkommen aller Zeiten, eines davon TTP (…) mit den Pazifikanrainer Staaten. An den Verhandlungen über TPP nehmen auch einige lateinamerikanische Staaten teil die gleichzeitig Mitglieder der pazifischen Allianz sind: Mexiko, Peru und Chile.

Die außenpolitischen Positionen der MERCOSUR Mitgliedsländer stehen (…) mit diesen neuentstandenen Handelsblöcken im Widerspruch zueinander. Während Venezuela, Brasilien und Argentinien in den letzten Jahren keinerlei Bemühungen gezeigt haben die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA zu verbessern, waren Uruguay und Paraguay stets bestrebt mit den USA und der pazifischen Allianz zu verhandeln.

(…) Nach einer Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung wird die Ratifizierung von TTP und TTIP große negative Auswirkungen auf die größten Volkswirtschaften im MERCOSUR haben. Der Ausschluss aus globalen Wertschöpfungsketten wird die Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder stark reduzieren und könnte zu einem Erstarken schützender Bewegungen in den entsprechenden Ländern führen. Dadurch würden sich diese Länder noch stärker vom globalen Integrationsprozess isolieren.

Ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union als Ausweg?

(...) Während die EU hauptsächlich chemische Produkte und Industriemaschinen exportiert, bestehen die Exporte des MERCOSURS in die EU hauptsächlich aus Rohstoffen. Die Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen lagen lange Zeit auf Eis. Das Abkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, bei dem sowohl die EU als auch MERCOSUR eine zwischennationale Gemeinschaft bilden, aber kein vollwertiges Mitglied der anderen Gemeinschaft werden. Dem sogenannten "assoziierten Partner" werden dabei Rechte und Pflichten eingeräumt.

Die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen wurden (...) im Mai 2010 mehr als zehn Jahre nach ihrem Beginn erneut aufgenommen. In den letzten Monaten haben die Verhandlungen unter anderem durch den Regierungswechsel in Argentinien wieder an Fahrt aufgenommen.

Streitpunkte in der Wirtschaft

Jedoch gibt es weiterhin eine Reihe von Konfliktpunkten die den Abschluss eines solchen Abkommens noch immer verhindern. Die größten Streitpunkte betreffen die Automobilindustrie, den landwirtschaftlichen Sektor und Liberalisierungen im Dienstleistungssektor (siehe Diagramm unter dem Text).

Ein solches Assoziierungsabkommen würde die Exporte der EU in die Region erhöhen und somit den wachsenden Einfluss chinesischer Exporte und Investitionen in der Region etwas eindämmen. Dies könnte zudem den Beginn einer Neuausrichtung südamerikanischer Außenpolitik einleiten. Die Mitglieder des MERCOSUR könnten von der Öffnung europäischer Märkte für landwirtschaftliche Produkte sowie von einer Reduktion der Subventionen für europäische landwirtschaftliche Produkte profitieren. Seit der erfolglosen Doha-Konferenz der Welthandelsorganisation ist die Senkung von Subventionen der Industrienationen eines der wichtigsten handelspolitischen Ziele für viele Entwicklungs- und Schwellenländer. (...)

MERCOSUR: Quo Vadis?

Aufgrund der nahezu stagnierenden oder gar schrumpfenden Wirtschaftsleistung der Mitgliedsstaaten und der bereits bestehenden Handelsverflechtungen im MERCOSUR, ist der Mehrwert, der durch noch stärkere wirtschaftliche Integration erreicht werden könnte, (...) begrenzt.

Eine Möglichkeit um jedoch die wirtschaftliche Entwicklung des MERCOSURs weiter voranzutreiben, wäre der Abschluss neuer Handeslabkommen mit externen Akteuren. Ein Abkommen mit der EU, das durch die neue Regierung in Argentinien vorangetrieben wird, könnte den Staaten einen neuen Impuls geben, (...) die internen Reformbemühungen vorantreiben. Aufgrund aktuell fehlender erkennbarer Fortschritte befindet sich der Abschluss eines solchen Abkommens jedoch immer noch in weiter Ferne.

Eine weitere Lösung, um den Stillstand des MERCOSURS zu beheben, wäre die Durchführung einer erfolgreichen internen institutionellen Reform. Eine solche Reform könnte bereits existierende Regelungen harmonisieren und eine stärkere Einhaltung dieser forcieren. Inhalte dieser Reform könnten verbindliche Maßnahmen für die Internalisierung von Normen sein sowie festgelegte Konsequenzen für den Fall dass Regierungen gegen Regelungen des MERCOSUR verstoßen. Diese Maßnahmen würden dazu führen die Transparenz innerhalb des MERCOSUR zu erhöhen und in Folge dessen auch das öffentliche Interesse für das Bündnis wiederzubeleben. In Anbetracht der jahrelangen vergeblichen Bemühungen eine übernationale Struktur zu errichten, scheint jedoch eine solch tiefgreifende Reform eher unwahrscheinlich.

Die mögliche Lösung

Der MERCOSUR muss sich in Lateinamerika und der Welt neu positionieren, sei es durch ein Assoziierungsabkommen mit der EU oder durch interne Reformen. Eine größere Bereitschaft Handelsbarrieren abzubauen, eine gemeinsame Position zu den derzeitigen Krisen in Venezuela und Brasilien sowie eine bessere Verflechtung mit den derzeit verhandelten Freihandelsabkommen werden zukünftig darüber entscheiden, ob sich der MERCOSUR als wichtige internationale Institution etablieren kann oder zu einem Beispiel für misslungene regionale Integration wird .

Autoren:Rafael Schmuziger Goldzweig (Brasilien) und Laura Arnemann (Deutschland), Foto: Cancillería del Ecuador,CC BY-SA 2.0 (Zuschnitt).

Der Verein "Young Initiative on Foreign Affairs and International Relations" (IFAIR e.V.) initiiert mit LACalytics ein Projekt, das junge Experten aus Lateinamerika und der Karibik sowie der Europäischen Union (EU) zusammenbringt. Gemeinsam verfassen sie Analysen zu Themen aus Politik, Umwelt, Wirtschaft, Zivilgesellschaft sowie über die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika, von denen vier ausgewählte Texte auf Blickpunkt Lateinamerikaveröffentlicht werden.

Am Dienstag den 25.Oktober findet von 18-21 Uhr im Hamburger Senat die öffentliche Abschlusskonferenz von LACalytics statt. Dort wird es eine Podiumsdiskussion auf Englisch zum Thema "EU-LAC Cooperation in the 21st Century: Merging efforts in a globalized world" geben, auf der Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik aus Europa und Lateinamerika mit unseren jungen Experten diskutieren werden. Nähere Infos zur Konferenz und zu LACalytics allgemein gibt es auf der IFAIR-Webseite.

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