Amazonas-Indigene haben zehnfaches Corona-Risiko
Die Benachteiligung der indigenen Bevölkerung macht sich in der Pandemie deutlich bemerkbar. Experten fordern daher koordinierte Maßnahmen für die Amazonas-Region.
In einigen Regionen des Amazonasbeckens ist die indigene Bevölkerung zehnmal so gefährdet, sich anzustecken, wie andere Gruppen, die im gleichen Gebiet leben. Dies geht aus Daten der Organización Panamericana de la Salud (OPS) hervor. Geschätzt 55 Millionen indigene Menschen leben in Lateinamerika und der Karibik. Am 30. Oktober meldete die OPS 168.000 mit dem Virus infizierte Indigene in zwölf Ländern. Die Zahl der Todesfälle betrug zu diesem Zeitpunkt fast 3.500.
Ursachen hierfür seien der mangelhafte Zugang zum Gesundheitssystem und die strukturellen sozioökonomischen Nachteile. Das Wissenschaftsportal www.scidev.net verweist aber auch auf die im Vergleich mit der Mehrheitsbevölkerung geringere genetische Diversität, die eine höhere Corona-Anfälligkeit zur Folge habe. Dies gelte besonders für die im Amazonsgebiet lebenden indigenen Völker.
Experte: Quarantäne im Amazonasgebiet unwirksam
Die Organización Panamericana de la Salud (OPS) hat daher an die Regierungen appelliert, zu handeln. Erforderlich seien schnelle koordinierte Maßnahmen, um den Vormarsch des Coronavirus einzudämmen. Nach Ansicht von Juan David Ramírez, Mikrobiologe und Professor an der Universidad del Rosario in Bogotá, erweist sich hierbei das Mittel der Quarantäne im Amazonasgebiet als ineffizient. Der Hauptautor einer in der Fachzeitschrift „PLOS Neglected Tropical Diseases“ erschienenen Studie begründet dies mit den zahlreichen Wasserwegen, die eine Kontrolle der Bewegungen der Bevölkerung nicht zuließen.
Infektionen bedrohen Ureinwohner seit der Kolonialzeit
In dem Fachartikel schreiben die Forscher, es wiederhole sich, was immer wieder seit der Kolonialisierung des amerikanischen Kontinents durch Europäer geschehen sei: Eine Infektionskrankheit entwickle sich zu einer großen Gefahr für die Ureinwohner.
Der UN-Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker Francisco Cali Tzay spricht mit Blick auf die Pandemie von einer Verschärfung des Rassismus. Indigene Gemeinschaften würden stigmatisiert und beschuldigt, die öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen nicht einzuhalten. Camila Rodríguez von der Nichtregierungsorganisation Sinergias hebt die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die indigene Kultur hervor. Der Ärztin zufolge sterben vor allem die Ältesten, die das überlieferte Wissen ihres Volkes bewahren, das unwiederbringlich verloren gehe. Im Amazonasgebiet gebe es indigene Völker mit weniger als 200 Angehörigen.