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Ecuador |

Acosta: "Wir machen die Natur zu einer Handelsware"

Alberto Acosta (71), ehemaliger Vorsitzender der verfassunggebenden Versammlung Ecuadors, Ex-Minister für Energie und einer der bekannten Intellektuellen des Landes, spricht mit Blickpunkt Lateinamerika über die Ursachen und Folgen der Amazonas-Brände.

Lateinamerika Ecuador Amazonas Alberto Acosta

Alberto Acosta, ehemaliger Vorsitzender der verfassunggebenen Versammlung in Ecuador, nennt die angebotenen 20 Milliarden US-Dollar Soforthilfe der G7-Staaten einen "Tropfen Wasser auf den heißen Stein". Foto: privat

Herr Acosta, die Satellitenbilder des Kontinents zeigen sehr viele Waldbrände in der Amazonasregion. Brennt es auch in Ecuador?
 
In Ecuador brennt es meines Wissens nicht, zumindest nicht in dieser Größenordnung wie in Brasilien und anderen Ländern der Region. In dieser Jahreszeit gibt es zudem reichlich Regen, der derartige Waldbrände wie in Brasilien unmöglich macht. Aber wir sollten auch nicht vergessen, dass Ecuador das Land der Amazonasregion ist, welches proportional am meisten Amazonaswald gerodet hat. Auf die Amazonasregion entfallen ursprünglich 43 Prozent des nationalen Territoriums, aber nur etwas mehr als ein Prozent der gesamten Amazonasregion. In Ecuador ist man früh in die Amazonasregion auf der Suche nach Erdöl eingedrungen, hat bis heute immer wieder die Grenzen der Areale, wo gefördert werden darf, ausgedehnt – das ist Teil der Realität.
 
Eine Parallele zur Entwicklung in Brasilien und Bolivien, wo immer mehr Regenwald zum Anbau von Sojabohnen abgebrannt wird?
 
Ja, aber die Agrarlobby, die in Brasilien und Bolivien hinter der Zerstörung des Regenwaldes steht, ist derzeit deutlich einflussreicher als in Ecuador. In Brasilien und auch in Bolivien stehen transnationale Nahrungsmittelkonzerne hinter dem Angriff auf den Regenwald und es handelt sich um Millionen von Hektar, die in den letzten Jahren entwaldet wurden. In Bolivien tritt der Vizepräsident Álvaro Gracía Linera für die Interessen der Soja-Lobby ein und dort wurde die Frontera Agrícola, die Grenze für den Nahrungsmittelanbau, jedes Jahr verschoben – eine Million Hektar Regenwald pro Jahr wurden in den letzten fünf Jahren zerstört, um noch mehr Soja anzubauen.
 
Aber sind die Böden denn überhaupt für den Anbau geeignet?
 
Nein, eigentlich nicht. Die dünne Humusschicht lässt den Anbau nur für zwei, drei Jahre zu, dann erfolgt die Versteppung des Areals. Da werden kurzfristig große Gewinne eingefahren, mittelfristig werden wir Zeugen einer Versteppung, wie Satellitenbilder belegen.  Das wiederum trägt zum weltweiten Klimawandel bei, verändert aber auch das lokale Klima fundamental. Dort regnet es beispielsweise deutlich weniger als zuvor. 
 
Es hat den Anschein, als ob derzeit in mehreren Ländern wie Bolivien, Peru, Kolumbien oder Paraguay dem brasilianischen Beispiel gefolgt wird, wo systematisch Feuer gelegt wurden. Gibt es Allianzen?
 
Nein, das glaube ich nicht. Das ist mir zu konspirativ gedacht. Ich denke, dass die Agrarlobby, die es in allen Ländern gibt, die derzeitige Situation schlicht ausnutzt. Dahinter steht das ökonomische Modell des 'mehr mehr mehr'. 'Wir müssen mehr Lebensmittel für den Weltmarkt produzieren', lautet in Brasilien eines der zentralen Argumente, 'um die Armen der Welt zu versorgen.' Doch die Soja-Exporte Brasiliens gehen zu 95 Prozent in die entwickelten Länder, um noch mehr Fleisch zu produzieren – und dorthin werden auch Bio-Kraftstoffe aus Zuckerrohr und Palmöl exportiert. Das ist eine perverse Realität.
 
Wird diese Realität durch die Handelsverträge, die die EU mit den Mercosur-Staaten ausgehandelt hat, nicht noch gefördert? Der Export von Soja und Rindfleisch ist darin doch eine wesentliche Komponente, oder?
 
Ja, durch die Struktur dieser Verträge entsteht zusätzlicher Druck auf den Regenwald. Immer neue Flächen werden so für die Landwirtschaft freigegeben, ohne auch nur darauf zu achten, ob sie für die Landwirtschaft geeignet sind. Das hat keine Zukunft, wir zerstören unsere Lebensgrundlagen.
 
Ist es möglich, den zerstörten Regenwald wiederherzustellen?
 
Ja, theoretisch schon, aber dazu bräuchte es ein Moratorium, ein Verbot, in den betroffenen Arealen Landwirtschaft zu realisieren. Der zerstörte Wald muss sich selbst überlassen werden – für dreißig, vierzig Jahre. Dann würde er sich regenerieren und danach könnte man die Flächen für den nachhaltigen Anbau nach dem indigenen Modell des „Sistema Chakra“, freigeben. Das ist ein nachhaltiger Anbau in einem Agroforstsystem, wo bis zu 150 verschiedene Pflanzen angebaut werden – eben kein monokultureller Anbau, sondern ein auf Vielfalt basierendes System , das auf den Erhalt des Regenwaldes abgestimmt ist - traditionelles Modell.
 
Spielt dieses Modell in den Plänen der Regierungen denn eine Rolle?
 
Nein, und da bedarf es mehr internationale Unterstützung – wir brauchen mehr Allianzen, um alternative Modelle durchzusetzen. Ein Fonds, um den Schutz der bei den Bränden zerstörten Waldflächen zu garantieren, so dass sich der Wald regenerieren kann, wäre ein Signal. 
 
Was halten Sie von der Haltung der G7-Staaten zu den Bränden im Amazonas?
 
Wenig, denn die zwanzig Millionen US-Dollar, die als Soforthilfe angeboten wurden, sind nicht mehr als ein Tropfen Wasser auf den heißen Stein – das ist ein peinliches Angebot.
 
Was halten Sie von den Klimafonds, die dazu beitragen sollen, dass der Amazons-Regenwald erhalten wird?
 
Das ist ein positiver Ansatz, aber das Grundproblem ist, dass diese Fonds einer Marktlogik folgen. Wir machen die Natur zu einer Handelsware und das kann nicht funktionieren.. 

Interview: Knut Henkel

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